Heute ist Natalie im Work & Family Interview zu Gast. Natalie ist in der Verlagsbranche tätig, hat 1 Kind und hat einen Vollzeit-Job. ein Modell für das Sie sich auch immer wieder rechtfertigen muss. Wie Sie damit umgeht und warum sie sich dafür entschieden hat, davon hat sie mir erzählt.

 1. Erzähl doch mal, wer und wie viele seid Ihr in Eurer Familie?

Wir sind drei: Papa, Mama und Mr C. der mittlerweile recht groß ist. Genau der richtige Zeitpunkt, die letzten Jahre ein wenig Revue passieren zu lassen. Daher habe ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut, hier bei Work and Family zu erzählen, wie das bei uns so war und ist.

2. Wie war Eure berufliche Situation bevor Ihr Euer Kind bekommen habt? Was hat sich seitdem verändert?

Bevor wir unseren Sohn bekommen haben, haben wir beide Vollzeit in recht guten Positionen gearbeitet.  Als klar war, dass wir Eltern werden, haben wir uns dafür entschieden, dass wir nicht beide Vollzeit arbeiten wollen, sondern zumindest einer von uns, mehr Zeit für die Familie haben sollte. Für uns war klar, dass einer der „Fels“ für daheim sein sollte. Egal wer. Das haben wir – ergebnisoffen – diskutiert.

3. Für welches Arbeitsmodell habt Ihr Euch als Familie entschieden und warum?

Wir hatten drei Modelle: Babyjahre, Kleinkindzeit und Schulkind.

Wir haben uns dafür entschieden, dass ich nach 4 Monaten Pause wieder Vollzeit in den Beruf zurückkehre und mein Mann ein Jahr daheim bleibt und danach in Teilzeit (20 Stunden) wieder anfangen wird zu arbeiten. Diese Zeit war sehr spannend und schön und klappte nur, weil wir kurze Wege zwischen unserem Zuhause und meiner Arbeit haben: meist kamen meine Männer zum Mittagessen in die Arbeit, der große aß sein Essen, der kleine wurde gestillt. Die ersten Reisen wurden dann mit abgepumpter Milch gewuppt. Als mein Mann wieder arbeitete, ging Mr C in die Krippe, die praktischerweise gleich nebenan lag.

Unsere Gründe waren vielseitig: Mir hat meine Arbeit richtig viel Spaß gemacht und meinem Mann seine nicht so viel. Er wollte gerne überlegen, was er in den nächsten Jahren noch anderes machen könnte. Eine Auszeit war da perfekt. Das war schon einmal der triftigste Grund. Hinzu kam, dass es aufgrund der Abteilungsgröße bei ihm kein Problem war, bei mir jedoch hätte ich – damals – in meinen Job nicht in „nur“ Teilzeit zurückkehren können. Hier hat sich aber die Politik bei meinem Arbeitgeber über die letzten Jahre zum Glück sehr verändert. Das Modell ich Vollzeit, er Teilzeit brachte uns durch die Kindergartenzeit. In dieser Zeit hat mein Mann sich dann für eine freie Tätigkeit entschieden – der Job wurde immer härter, der Ton rauer, der Weg war weit und brachte mehr Stress als Freude. Außerdem waren die Kindergartenzeiten nicht gut mit den gewünschten Arbeitszeiten in Einklang zu bringen und der Versuch, meine Stunden so umzuschichten, dass ich einzelne Nachmittage übernahm, scheiterte kläglich. Daher war uns das einer Vollzeit/einer frei-Prinzip sehr wichtig, um wieder mehr Ruhe in den Alltag reinzubringen. Das hat super funktioniert.

4. Welche Reaktionen erlebst Du auf Deinen Vollzeit-Job und wie geht Ihr damit um?

Als wir dickbauchig und vollmundig erzählten, wie wir es machen werden, haben es alle erstmal toll gefunden (vielleicht haben auch einige gedacht, dass wir das eh nicht durchziehen, es aber nicht gesagt). In der Realität angekommen, stellte sich alles etwas anders dar: Die Frauen war daheim, die Männer wieder in der Arbeit, die Frauen kannten sich alle aus Geburtsvorbereitungskursen, hatten sich da Netzwerke aufgebaut.

Da war ich raus, weil ich ja Tags wieder arbeitete und sich alle wochentags, tagsüber trafen. Mein Mann war qua Geschlecht raus. Beim Babyschwimmen gab es unter der Woche noch nicht mal einen Umkleideraum für Männer, den gab es nur fürs Wochenende und nein, unser Sohnemann ist noch nicht 30.

Ich persönlich bin auf viel Unverständnis gestoßen, das Stichwort Rabenmutter fiel zwar nie konkret, aber unterschwellig kamen schon immer wieder Kommentare. Und mein Mann hat sich zwar wacker geschlagen und viele gute Spielplatzbekanntschaften aufgebaut, im Kindergartenvorstand mitgearbeitet, kennt alle unsere Nachbarn und Paketboten besser als ich, aber dennoch fühlte er sich doch ein wenig alleine gelassen und auch wieder die unterschwellige Botschaft: wenn der Mann daheim bleibt, dann muss da doch was „faul“ sein. Und was wir auch immer wieder gehört haben, war Unverständnis darüber, dass wir uns für dieses Modell entschieden hatten, OBWOHL auch bei uns der Mann mehr verdiente, als die Frau. Aber Geld ist ja, solange es reicht, definitiv nicht alles! 

5. Wo und wie ist der Nachwuchs betreut, wenn Ihr arbeitet?

Ganz klar, ich bzw. beim Arbeitgeber hat den Luxus, dass mein Mann eigentlich alles um meine beruflichen Verpflichtungen herum strickt: ist eine längere Veranstaltung, nimmt er für diese Zeit nichts an. Der Sohnemann geht in die Schule und danach, zumindest von Mo-Do, bis 16 Uhr in die Nachmittagsbetreuung. In den Ferien suchen wir städtische Angebote, organisieren Ausflüge oder Aktionen mit Freunden. Auch die Omas springen mal tageweise ein.

6. Wie organisiert Ihr Euren Alltag als Familie? Gibt es eine bestimmte Verteilung an Aufgaben? 

Unbedingt: Jeder von uns hat Dinge, die er lieber macht als andere – und aufgrund der reinen Anwesenheit daheim, ergeben sich ebenfalls ganz klare, logische Aufteilungen. Konkret heißt das: Er macht die Wäsche, das tägliche Staubsaugen, rasche Zwischendurch-Einkäufe. Die Finanzen, Steuer, … Ich koche lieber, putze das Bad, backe, kümmere mich um Geschenke und solche Dinge. Den Wocheneinkauf machen wir gemeinsam am Samstagvormittag, gerne ganz früh. Er betreut die tagtäglichen Hausaufgaben, ich mache das Lernen am Wochenende, das Ranzen nach „Leichen“ durchsehen, Zimmer mit aufräumen.

7. Habt Ihr zwischendurch auch ein schlechtes Gewissen, weil entweder der eine oder der andere Lebensbereich hinten anstehen muss? Und wenn ja, wie geht Ihr damit um?

Oh ja und ob! Ich gestehe, dass ich leider ein wandelndes schlechtes Gewissen bin! Und ich bin ein furchtbarer Neidhammel geworden. Das ist ein Zug, den ich nicht an mir mag und den ich versuche, zu besiegen. Natürlich müssen wir uns auch finanziell etwas einschränken, das macht mir meistens nichts aus, aber es gibt dann doch immer wieder Momente, wo ich merke, dass ich in irgendeiner Situation eben doch nicht mithalten kann. Das trifft mich dann meist ein wenig.

Das Finanzielle umschiffen wir im Alltag sehr geschickt: Wir haben das Glück, eine bezahlbare Wohnung zu haben. Wir machen viel selbst, kaufen bewusst ein, viel Luxus brauchen wir nicht, Urlaub ist am tollsten, weil man dann Zeit füreinander hat. So in etwa. Wir respektieren, dass jeder auch mal das Recht hat, keine Lust auf seinen  Aufgaben zu haben. Zum Glück haben wir recht ähnliche Vorstellungen von Sauberkeit und Ordnung, von Ruhe oder Trubel, das fügt sich gut. Ansonsten hilft: Offenheit! Nichts runterschlucken, sondern ruhig darüber reden – und eine gemeinsame Lösung finden.  Wenn einer von uns wirklich einmal eine Auszeit braucht,  spricht er das offen an und der andere gibt ihm die Möglichkeit. Ohne Wenn und Aber.

8. Wie organisiert Ihr Euch, wenn ein unvorhergesehene Ereignis eintritt? Macht Ihr Euch dafür einen Plan B oder habt ihr ein Notfallnetzwerk?

Wenn etwas wirklich Unvorhergesehenes passiert, wäre bei uns immer klar: Family first. Da könnte sonst was Wichtiges sein, ich wäre da, mein Mann wäre da. Leider haben wir keine Verwandtschaft vor Ort, die uns Deckung gibt, aber einige gute Freunde und diese vor allem sehr nah und sehr unkompliziert. Menschen, die uns genauso um 2 Uhr nachts anrufen würden, wie wir sie. Zudem haben wir eine nette Hausgemeinschaft für wirklich akute Notfälle.

9. Wann bleibt Zeit für Eure persönlichen Bedürfnisse als Eltern?

Das ist womöglich der wundeste Punkt: Das ist nämlich echt schwer! Ich freu mich manchmal echt auf Dienstreisen, weil ich dann abends und morgens mal meine Ruhe habe und nur für mich sein kann. Auch wenn der Tag dazwischen echt anstrengend ist. Aber im Grunde war für uns der wichtigste Schritt: Die Abende sind heilig. Kind ins Bett – Eltern auf die Terrasse oder das Sofa, je nach Wetter. Reden, zuhören, für den anderen da sein, Quality-time schaffen. Und wenn einer WIRKLICH etwas vom anderen braucht, dann gilt auch hier: Family first.

10. Was hast Du vom Eltern sein so gar nicht erwartet?

Da ich wesentlich jüngere Halbgeschwister habe, deren Zur-Welt-Kommen ich gut mitbekommen habe, hat mich Vieles nicht so sehr überrascht. Wirklich erstaunt hat mich, wie lange die hochintensive Betreuungszeit im Grunde ist. Schön ist, dass ich das Gefühl habe, dass ich mit den sich verändernden Anforderungen mitwachse – das hätte ich mir nicht so „smooth“ vorgestellt. Letzthin jubelte der „Kleine“ – er fängt an, unter den Achseln zu riechen. Toll!

11. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich ändern, um das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser hinzubekommen?

Ich würde mir wünschen, dass Männer und Frauen sich wirklich gleichberechtigt um die Kinder und die Familie kümmern. Das geht ja über das reine Familienleben hinaus: Lehrer sprechen die Mütter an, der Hort ruft die Mutter an, andere Mütter rufen die Mütter an – keiner ruft Papa an, auch wenn Papa der ist, da daheim ist. Das erstaunt mich immer wieder. Aber solange Väter ihre zwei Monate daheim zelebrieren und dafür gefeiert werden, dass sie es auf sich nehmen „daheim bleiben“, meist ist ein Monat davon noch einer Reise gewidmet, solange sind sie noch nicht im Alltag angekommen. Der Alltag ist das, was aufreibt, das was keinen Orden bringt und dennoch zählt und das, was zumeist Frauen nach wie vor Tag für Tag wuppen. Ohne es an die große Glocke zu hängen. Es muss ja gemacht werden. Und Mama macht.

 


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Photocredit: Aswin I unsplash 

 

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