Gibt es das perfekte Vereinbarkeitsmodell? Ich persönlich denke „nein“. Jedenfalls habe ich noch nicht das eine Modell gefunden, das für alle passt. Stattdessen gibt es ganz viele individuelle Modelle, die für jede einzelne Familie und deren Rahmenbedingungen passend sind. Und diese Rahmenbedingungen können eben grundverschieden sein. In diesem Blogartikel möchte ich Euch gerne einen Einblick in unsere Vereinbarkeitsmodell geben bzw. in unsere verschiedenen Modelle. Denn im Laufe der letzten Jahre gab es auch bei uns nicht nur das EINE Modell, sondern mehrere. Diese haben sich immer den veränderten Rahmenbedingungen und familiären Gegebenheiten angepasst.
Vereinbarkeit ist kein starres Konstrukt
Wenn ich persönlich eines in den letzten Jahren seitdem ich Mutter bin gelernt habe, dann dass Vereinbarkeit kein starres Konstrukt ist. Ganz im Gegenteil. Es ist eher wie ein Mobile, das ständig in Bewegung ist, das man immer wieder nachjustieren und verändern muss, um es so gut wie möglich im Gleichgewicht zu halten. Daher habe ich in gelernt, dass die wichtigsten Fähigkeiten in Sachen Vereinbarkeit sind, flexibel und kompromissbereit zu sein. Und das in jeder Beziehung. In der Beziehung zum Partner, genauso wie zu den Kindern oder zum Arbeitgeber.
Unser Vereinbarkeitsmodell nach der 1. Elternzeit
Bevor ich in Elternzeit gegangen bin, war der Plan, dass ich nach 12 Monaten zurück in meinen Job kehre. Da wir das Glück hatten in München schon im laufenden Krippenjahr einen der begehrten Betreuungsplätze zu bekommen, ist der Plan auch aufgegangen. Ich bin mit 70% wieder eingestiegen und habe an vier Tagen die Woche gearbeitet. Der Freitag war mein freier Tag, der mir die Flexibilität gegeben hat, in Absprache mit meinem Arbeitgeber mal Arbeitsstunden hin und her zu schieben, zum Sport zu gehen oder organisatorische Dinge zu erledigen.
Da wir keine Großeltern vor Ort haben, haben wir uns eine tolle Leihoma gesucht, die unser Kind einmal in der Woche nachmittags betreut hat und zur Not auch im Krankheitsfall eingesprungen ist, wenn mein Mann und ich beide Termine hatten. Da ein Mann damals noch sehr viel Zeit und Energie in den Aufbau seiner Firma gesteckt hat, habe ich mich an den Nachmittagen vornehmlich um die Betreuung unseres Kindes gekümmert. Die Hausarbeit haben wir uns fair aufgeteilt. Schon damals habe ich angefangen, mich sehr intensiv mit der Frage zu beschäftigen, wie sich ein gutes Miteinander aus Familie und Beruf finden lässt und an welchen Stellschrauben Paare drehen müssen, um Job, Kind und sich selber gut zu jonglieren.
Eine Sache, die wir z.B. schon kurz nach der Geburt unseres 1. Kindes für uns vereinbart haben, war die „3-2-1 Regel„, die besagte, dass wir darauf achten immer ein ausgewogenes Verhältnis aus Zeit für uns als Paar, Zeit als Familie und auch Zeit alleine zu haben. Denn mit dem Eltern werden ist uns ziemlich schnell bewusst geworden, wie wichtige uns beiden Zeit für unsere persönlichen Interessen ist. Daher achten wir schon immer darauf, uns diese Zeiten auch regelmäßig einzuräumen. Sei es durch Wochenenden mit Freuden, wöchentliche Sporttage oder Pärchen-Abende für uns.
Das 2. Kind brachte einige Veränderungen mit sich
Kurz nach der Geburt unseres 2. Kindes, das 6 Wochen zu früh auf die Welt kam, bekamen wir von den Ärzten die Diagnose, dass es sich nicht „normal“ entwickeln würde und seine körperliche und geistige Entwicklung wahrscheinlich beeinträchtigt seien. Eine Nachricht, die unser Leben komplette auf den Kopf gestellt und alle bis dahin gemachten Pläne verändert hat. Eigentlich hatte ich vor in einem ähnlichen Stundenumfang wie nach der 1. Elternzeit zurück zu kehren, doch daran war erstmal nicht zu denken. Die ersten Monaten der Elternzeit waren von Krankenhausaufenthalten, Arztbesuchen und Therapien bestimmt – an Normalität war erstmal nicht zu denken. Nach einem halben Jahr hat sich dann ein erster Rhythmus eingespielt und wir konnten weitere Pläne machen. Arbeit war und ist mir schon immer wichtig – aus finanzieller und inhaltlicher Hinsicht – und macht einen Teil meines Seins aus. Daher war es klar, dass wir eine Lösung finden wollten, um mir das zu ermöglichen.
Eine Betreuung in der Krippe, wie bei unserem 1. Kind, kam für unser 2. Kind nicht in Frage. Wir haben uns alternativen Betreuungsformen befasst und uns für eine Tagesmutter entschieden, die unser Kind bis zum Eintritt in den Kindergarten betreut hat. Allerdings hat sie nur von Dienstag bis Freitag gearbeitet. Zusätzlich mussten wir an 4 Nachmittagen in der Woche auch Zeit für Therapien einplanen. Deswegen sah unser Vereinbarkeitsmodell bei meinem Wiedereinstieg in den Job so aus, dass der Montag mein langer Arbeitstag war. An diesem Tag war mein Mann für beide Kinder voll verantwortlich war und ich konnte „open end“ arbeiten. Dienstag bis Donnerstag waren in dieser Zeit meine kurzen Arbeitstage und der Freitag war nach wie vor frei.
Die Gründung von Work & Family
Mit Beginn der Kindergartenzeit haben sich die Betreuungsbedingungen wieder verändert. Wir haben für unser jüngeres Kind einen Betreuungsplatz in einem heilpädagogischen Kindergarten bekommen, in der auch die notwendigen Therapien durchgeführt wurden. Eine enorme Entlastung für uns als Familie. Parallel dazu ist das größere Kinder wiederum in die Schule gekommen. In dieser Zeit ist auch die Idee konkret geworden, Work & Family zu gründen, um berufstätigen Eltern und Unternehmen dabei zu beraten Vereinbarkeitsmaßnahmen im beruflichen und privaten Kontext umzusetzen.
Wir haben und als Familie wieder den veränderten Rahmenbedingungen angepasst und unser Vereinbarkeitsmodell umgestaltet. Auch die letzten drei Jahre haben wieder Veränderungen mit sich gebracht, einen Schulwechsel des großen Kindes und einen Wechsel des kleinen Kindes mit reduzierten Betreuungszeiten und Therapien, die wir Eltern wieder selber begleiten. Daher sieht unser Vereinbarkeitsmodell aktuell so aus, dass meine vollen Arbeitstage montags und dienstags sind und die meines Mannes, mittwochs, donnerstags und freitags.
Um Änderungen in dieser Planung zu berücksichtigen machen wir jedes Wochenende eine Wochenplanung, um ggf. Tage zu tauschen, zu besprechen, wie wir mit möglichen Kranktagen der Kinder umgehen und wer für welche Termine verantwortlich ist. Denn Vereinbarkeit hat – ähnlich wie im Unternehmen – einfach viel mit Organisation und Kommunikation zu tun. Aus diesem Grund ist eine „Wochenbesprechung“ sehr hilfreich, um einen Rahmen zu haben in dem organisatorische Dinge gemeinsam geklärt werden können.
Unsere Aufgabenverteilung
Ich persönlich finde es immer sehr inspirierend zu erfahren, wie sich andere Paare so organisieren und aufteilen. Daher habe ich mal zusammen gestellt, wie wir uns aktuell aufteilen. Am Morgen bereite ich die Brotzeitboxen vor, während mein Mann die Kinder für Schule bzw. Kindergarten fertig macht. In die Hausaufgabenbegleitung und Therapien teilen wir uns rein und es ist derjenige verantwortlich, der die Kinder gemäß unserer aktuellen Aufteilung am Nachmittag betreut. Die Haushaltsorganisation wie Wäsche waschen, Rasen mähen, einkaufen etc. teilen wir uns auf.
Genauso ist es bei den Arztterminen. Der eine kümmert sich darum, dass die Kinder regelmäßig zum Zahn- und Augenarzt gehen. Während der andere den Hut für den Allgemeinarzt aufhat. Beim Kochen haben wir über die Jahre eine Aufteilung gefunden, die mir persönlich sehr entgegen kommt: wir wechseln uns an den Wochenenden ab. Das heißt an einem Wochenende plant und kocht der eine alle Mahlzeiten, an dem anderen Wochenende der andere. Sollte eines der Kinder krank werden, dann ist zunächst erstmal der für die Betreuung des Kindes zuständig, der den halben Arbeitstag hat. Wenn sich das terminlich schwierig gestaltet, springt der andere nach gemeinsamer Absprache auch ein.
Meine persönlichen Learnings
Sicherlich wird unser aktuelles Modell nicht das letzte Modell sein, denn in den nächsten Rahmen werden sich wahrscheinlich bestimmte Rahmenbedingungen wieder verändern und getroffene Absprachen müssen überdacht und neu geregelt werden. Genau aus diesem Grund ist es auch meiner Sicht so wichtig eine entsprechende innere Haltung zu entwicklen und sich darauf einzulassen
- dass in Sachen Vereinbarkeit nichts für ewig in Stein gemeißelt ist,
- und dass wir uns als Paar und Familie immer wieder neu finden und erfinden müssen.
Ja, dieser Weg ist zwischendurch auch mühsam, nervig und kräftezehrend ist. Doch das Ergebnis danach ist immer gut. Und wenn nicht, muss es eben wieder verändert werden, denn Vereinbarkeit ist immer in Bewegung – wie ein Mobile.
Photocredit: Alessio Lin I unsplash