FamilienlebenVereinbarkeit

Vereinbarkeit braucht eine Familienvision

Vor ein paar Wochen ist das Buch „Eltern als Team“ von Birk Grueling erschienen. Ich hatte die große Freude, ihn an der ein und anderen Stelle in diesem Buch inspirieren zu können. Unter anderem beim Thema „Familienvision“ und warum es so wichtig ist, als Paar idealerweise schon vor oder während der Schwangerschaft nicht nur über das richtige Kinderwagenmodell und den passenden Geburtsvorbereitungskurs, sondern auch auch über Vereinbarkeit und Elternschaft zu sprechen. Aus meiner Sicht ein wichtiges Thema, dem sich Paare annehmen sollten.

Was gehört alles in eine Familienvision?

Die Idee hinter einer Familienvision ist, dass sich das (werdende) Elternpaar zusammen setzt und gemeinsam besprecht, wie die gemeinsame Familienvision im Hinblick auf den Berufs- und Familienalltag aussehen soll. Eine solche Vision übernimmt dann die Funktion eines Kompasses, an dem sich beide Elternteile immer wieder bei anstehenden familiären und beruflichen Entscheidungen ausrichten können.

Aus meiner Sicht gehört zu einer Familienvision, sich verschiedene Lebensbereiche anzuschauen und sich zu fragen, wie diese aus einem gemeinsamen Verständnis heraus gestaltet werden sollen. Dazu zählen unter anderem die folgenden:

  • Beruf
  • Alltagsorganisation
  • Finanzen
  • Wohnumfeld
  • Familienleben
  • Paarleben
  • Eigenes Ich

Definiert gerne für Euch noch weitere Bereiche, wenn sie aus Eurer Sicht ein wichtiger Bestandteil für Euren Vereinbarkeitsalltag sind.

Welche Fragen solltet Ihr Euch bei der Entwicklung einer Familienvision stellen?

Die Familienvision basiert stark auf den Zielen, die Ihr als Paar gemeinsam für Euren Vereinbarkeitsalltag definiert. Setzt Euch daher damit auseinander, wo Eure Prioritäten liegen? Welche Ziele und Wünsche habt ihr für die nächsten Jahre? Überlegt welche Rahmenbedingungen es braucht, um Euch diesen Lebenszielen näher zu bringen.

Nutzt auch die folgenden Fragestellungen, um gemeinsame Ziele zu definieren:

  • Welchen Wert misst jeder von Euch der Haus- und Carearbeit bei?
  • Durch welche Rollenbilder wurdet Ihr als Kinder in Euren Familien geprägt?
  • Was fandet Ihr daran gut und was nicht?
  • Welche Mutter bzw. welcher Vater wollt Ihr sein?
  • Was wollt Ihr Euren eigenen Kinder vorleben und warum?
  • Wie fühlt sich für Euch beide eine faire und gleichberechtigte Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten an?
  • Welche Karrierewünsche hat jeder von Euch? Und wann sollen diese realisiert werden?
  • Wer soll welchen finanziellen Beitrag leisten?
  • Wo und wie wollt Ihr räumlich leben?

Alle diese Fragestellungen helfen Euch dabei herauszufinden, was Euch wirklich wichtig ist und wie Ihr Euer Familien- und Berufsleben ganz konkret ausgestalten wollt. Idealerweise los gelöst davon, was „man“ sagt, denkt oder tut. Denn es geht schließlich um Eure eigene Familie und nicht um die der Nachbarn, Freude oder, oder, oder.

Um Eure Familienvision sichtbar zu machen, kreiert gemeinsam ein Visionboard. Das ist eine Collage in der Ihr Bilder, Karten, Schlagworte etc. zusammenstellt, die Eure Ziele darstellen. Sammelt dafür Zeitschriften oder sucht im Internet nach passenden Grafiken. Lasst Euch auch auf Pinterest inspirieren, oder baut Zitate und Affirmationen ein, die für Eure Ziele stehen. Nehmt Euch dafür gerne Zeit. Euer Visionboard muss nicht in einem Tag entstehen. Ganz im Gegenteil! Nehmt Euch ausreichend Zeit und vervollständigt das Board immer wieder, wenn neue Gedanken hinzukommen.

Warum braucht es eine Familienvision?

Wie eingangs schon erwähnt, ist eine Familienvision eine Art Kompass oder ein Nordstern an dem Ihr Euch immer wieder orientieren könnt. Eine solche gemeinsame Ausrichtung ist wichtig und fördert die Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft. Noch immer erlebe ich es ein meiner Arbeit, dass vornehmlich Mütter unzufrieden sind, weil sie Kinder auf lange Sicht als Karriereknick empfinden und sich eine fairere Aufteilung der Care- und Erwerbsarbeit wünschen. Dabei kann Euch die Erstellung einer Familienvision maßgeblich unterstützen.

Denn die Zahlen sprechen für sich und zeigen, dass sich strukturelle Themen durch eine Familiengründung noch verschärfen. Schon vor Corona gab es eine Einkommensungleichheit auf dem Arbeitsmarkt und das laut einer Bertelsmann Studie in zweifacher Hinsicht: Einerseits die zwischen Frauen und Männern allgemein. Andererseits die zwischen Frauen mit und ohne Kinder.

Vergleicht man Frauen und Männer verdienen Frauen auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet lediglich ein halb so hohes Erwerbseinkommen wie Männer. In nackten Zahlen heißt das, Frauen in Westdeutschland erwarteten durchschnittlich ein Lebenserwerbseinkommen von rund 830.000 Euro. Männer hingehen durchschnittlich rund 1,5 Millionen Euro. In Ostdeutschland fallen diese Zahlen insgesamt geringer aus (in Preisen von 2015).

Begründet wird diese deutliche Minderung des Lebenserwerbseinkommens der Mütter durch den Fakt, dass sie Kinder haben. Bei Männern jedoch wirkt sich diese Tatsache in Bezug auf das Einkommen kaum aus. Denn im überwiegenden Teil der Familien wird das klassische „Dazuverdienerinnen-modell“ gelebt in dem die Mütter Arbeitszeit reduzierbar und hauptsächlich die Kinder betreuen.

Auch im Vergleich zwischen Frauen mit und ohne Kinder zeichnet sich eine Lücke ab, die als Motherhood Lifetime Penalty bezeichnet wird. Entscheiden sich Frauen für Kinder reduziert sich demnach das durchschnittliche Lebenserwerbseinkommen um rund 40% (bei 1 Kind) bis zu fast 70% (bei 3 oder mehr).

Neben einer Familienvision braucht es strukturelle Veränderungen

Neben Vereinbarungen, die innerhalb der Partnerschaft getroffen werden, braucht es auch politische Rahmenbedingungen, die echte Wahlmöglichkeiten für Mütter bieten, vor allem um diese vor einer möglichen Altersarmut zu bewahren. Die OECD hat die Geschlechter-Rentenlücke in Deutschland mit 46% beziffert. Zum Vergleich der OECD Durchschnitt liegt bei 25%.

Um die Lebenserwerbseinkommenslücke zu schließen ist es notwendig:

  • Kinderbetreuungsmöglichkeiten quantitativ und qualitativ auszubauen
  • Eine höhere Arbeitszeitflexibilität für Mütter und Väter zu haben
  • Reformen im Steuersystem durchzuführen
  • Gehaltsstrukturen in Sektoren anzugleichen, in denen vornehmlich Frauen/Mütter tätig sind
  • Und es auch Männern als Arbeitgeber leichter zu machen länger Elternzeit nehmen

Denn auch dazu gibt es spannende Zahlen: In Familien in denen Väter länger als die 2 üblichen Vätermonate Elternzeit nehmen, gehen Mütter eher wieder in den Job zurück. Das ist auch zahlenmäßig durch eine Studie der Hans Böckler Stiftung aus 2014 belegt.

Väter, die eine längere Elternzeit einreichen, reduzieren ihre eigene Arbeitszeit im Anschluss an die Elternzeit häufiger und länger. Zudem beteiligen sie sich eher zu gleichen Teilen an der Carearbeit als die Väter, die lediglich 2 Partnermonate genommen haben.

Das heißt für Mütter, dass sie schneller wieder in den Job zurück gehen und sich beruflich weiter entwickeln können. Sowohl inhaltlich als auch monetär. Wichtige Aspekte, die sich auch im Alter bemerkbar machen im Hinblick auf

  • höheres Lebenserwerbseikommen
  • höhere Rentenansprüche
  • mehr Geld für private Altersvorsorge

Damit sind wichtige Grundsteine gelegt, die es beiden Elternteilen möglich machen, sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern und Care- und Erwerbsarbeit fair aufzuteilen. Und in Kombination mit der gemeinsam kreieren Familienvision lässt sich daraus ein individuelles Vereinbarkeitsmodell ableiten. Denn es gibt nicht das eine Modell für alle Familien, doch es gibt das eine Modell, dass für jede einzelne Familie passt.

Solltet Ihr bei der Umsetzung dieses Modells Unterstützung brauchen, stehe ich gerne für ein Erstgespräch bereit. Denn #vereinbarkeitisteingemeinschaftsfprojekt.

 

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