Work & Family Interview Serie

Birgit: Wie vereint Ihr in eurem Leben Beruf und Familie?

 

Werbung // unbezahlt und unbeauftragt

Ich freue mich sehr, dieses Mal in der Work & Family Interviewserie Birgit zu Gast zu haben. Birgit ist Working Mum, zweifache Mutter, erfolgreiche Bloggerin in Österreich und uns verbindet das Leben mit einem besonderen Kind. Auf Muttis-Blog plaudert sie seit 2009 aus dem Nähkästchen und im folgenden Interview spricht sie mit mir über Vereinbarkeitsfragen, das Leben mit zwei Pubertieren, Erwartungen und das ewig schlechte Gewissen.

1. Hol uns doch mal ab, wer und wie viele seid Ihr in Eurer Familie?

Wir sind vier: Mutter, Vater, zwei Kinder – 10 und 13 Jahre alt.

2. Wie sah Eure berufliche Situation aus bevor Ihr Eure Kinder bekommen habt? Was hat sich seitdem verändert?

Wir waren beide voll berufstätig, sind gerne gereist, viel auswärts essen gegangen. Und dann kam das erste Kind. Bei beiden Kindern bin jeweils ich zwei Jahre zuhause geblieben. Danach bin ich teilzeit in meinen alten Beruf wieder eingestiegen. Auch mein Mann hat seine Arbeitszeit bis zum Schuleintritt des jüngsten Kindes reduziert. Jetzt arbeitet er wieder Vollzeit. Ich bin hingegen bei 30 Stunden/Woche geblieben – und kann es mir auch nicht vorstellen, jemals wieder mehr zu arbeiten. Hinzu kommt natürlich noch mein Blog „Muttis Nähkästchen“, der mittlerweile ein Nebenjob geworden ist. Und Selbständige arbeiten doch irgendwie ständig … Wie sich das alles ausgeht? Keine Ahnung …

3. Wie gestaltet Ihr Euren Berufs- und Familienalltag? Habt ihr eine feste Aufteilung, was Arbeitszeiten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten angeht?

Nein. Wer gerade Ideen, Zeit und vor allem Nerven hat, wird aktiv. Und zwar egal, ob es sich dabei um die überquellende Schmutzwäsche, die vollgeräumte Küche oder die Vorbereitung auf die nächste Schularbeit handelt. Seit der Geburt des zweiten Kindes gibt es eine Haushaltshilfe, die sich einmal pro Woche um die Grundreinigung des Hauses kümmert – eine riesengroße Hilfe, die ich nicht mehr missen möchte!

4. Wo und wie sind Eure Kinder betreut, wenn Ihr arbeitet?

Unsere Kinder gehen in eine Ganztagesschule. Wenn du mir das vor etwa acht Jahren erzählt hättest, hätte ich mir an die Stirn getippt. Denn das wollte ich eigentlich gar nicht. Meine Einstellung war: Kinder bekommen heißt auch sich darum kümmern. Aber mit einem Kind mit besonderen Bedürfnissen muss man situationselastisch bleiben und eigene Vorstellungen auch mal über den Haufen werfen. Jetzt passt die Situation für uns alle sehr gut. Die Kinder können in der Schule das Sport- und Musikangebot nutzen und machen die Hausaufgaben mit den eigenen Lehrern. Und nur weil die Kinder die Hausaufgaben in der Schule erledigen – Gott sei Dank will ich sagen! -, heißt das ja noch lange nicht, dass wir von allen Betreuungs- und Begleitungsaufgaben entbunden sind.

5. Deine Kinder sind mittlerweile fast beide schon Teenager. Was würdest Du sagen, wie haben sich die Anforderungen an den Berufs- und Familienalltag über die Jahre verändert?

Ich war der weit verbreiteten Meinung, dass mit Schuleintritt des Kindes alle Herausforderungen weniger werden. Schließlich enden mit diesem Zeitpunkt ja auch viele Zuwendungen, Unterstützungen und Elternrechte – zum Beispiel das Recht auf Elternteilzeit – zumindest bei uns in Österreich ist das so. Auch die Forschung sagt, dass die Rush-hour des Lebens da schon wieder abnimmt. Aber die Wahrheit ist: da beginnen die Herausforderungen erst richtig! Denn Schule endet nicht am Schultor. Ich sage nur eins: An der Note der letzten Latein-Schularbeit habe ich einen sehr, sehr großen Anteil! Jetzt weiß ich auch, warum ich damals so manches in der Schule gelernt habe… Und da wundert’s noch jemanden, dass Bildung vererbbar ist!?!

6. Unvorhergesehene Ereignisse können die ganze Organisation im Berufs- und Familienalltag zunichte machen. Habt Ihr für sowas einen Plan B oder ein Notfallnetzwerk auf das Ihr zurück greifen könnt? 

Unser Plan B sind die Großeltern – und das obwohl die einen oft wochenlang nicht vor Ort sind, weil sie 300km entfernt die Urgroßmutter pflegen und die anderen erst eine Stunde anreisen müssen, wenn der Hut brennt. Seit alle Großeltern in der Pension (=Rente) sind, wurde es etwas leichter. Und wenn alle Stricke reißen, müssen wir eben die Pflegefreistellung in Anspruch nehmen. (Das wurde bei uns im Unternehmen übrigens lange als „Pflegeurlaub“ betitelt. Dagegen hab ich mich heftig gewehrt, denn Urlaub ist so eine Situation nicht! Jetzt heißt es tatsächlich auch Pflegefreistellung.) Oder wir nutzen die Möglichkeit für Gleitzeit oder arbeiten von zuhause. Letzteres ist ein Privileg, das wohl nicht alle Jobs bieten – unserer tut es Gott sei Dank.

7. Schleicht sich zwischendurch auch sowas wie ein schlechtes Gewissen ein, weil entweder der Lebensbereich Arbeit oder Familie hinten anstehen muss? Und wenn ja, wie geht Ihr damit um?

Heißes Thema! Ich hab mich mal auf die Suche nach Gründen für schlechtes Gewissen bei Müttern gemacht – und im Handumdrehen 50 (!) Gründe für schlechtes Gewissen gefunden: 50 Shades of schlechtes Gewissen. Und zugegeben – ich hätte mit Leichtigkeit auch noch mehr Gründe identifiziert. Das war Augenöffnend! Darum hab ich mich vom schlechten Gewissen aus reinem Selbstschutz schnellstmöglich verabschiedet. Ich hab sehr schnell gemerkt, dass ich kein Heimchen am Herd bin – obwohl das immer meine Idealvorstellung war. Denn wenn schon Kinder, dann bitte auch selbst drum kümmern – ich hatte sehr hohe Ansprüche an meine eigene Mutterschaft. Aber dann kam die Realität dazwischen. Und ich merkte, dass ich meinen Beruf und den damit verbundenen Austausch mit Erwachsenen wie die Luft zum Atmen brauche. Die Erkenntnis: „Geht’s der Mutter gut, geht’s auch den Kindern gut“ ist Goldes wert und schützt vor fiesen Gewissensattacken. Kann ich nur wärmstens empfehlen!

8. Gelingt es Euch in Eurem Familienmodell auch Zeit für Eure persönlichen Bedürfnisse als Eltern zu finden?

Ja, das muss unbedingt sein – jeder für sich und auch als Paar. Jeder nimmt sich seine Auszeiten: Ich geh zum Beispiel Tanzen, besuche Workshops, die mir Spaß machen und dergleichen. Auch mein Mann geht einen Abend in der Woche zum Sport und macht auch immer wieder etwas, was nur große Jungs interessiert. Mindestens einmal pro Jahr versuchen wir ein verlängertes Paar-Wochenende zu machen – irgendwo in einem Wellness-Tempel oder so: Zeit zu zweit: Eltern sein, Paar bleiben. Wenn wir das nicht machen, dann macht sich das wirklich schmerzlich bemerkbar! Gott sei Dank ermöglichen uns die Omas und Opas solche Auszeiten, indem sie die Kinder unter ihre Fittiche nehmen.

9. Was würdest Du sagen ist aktuell für Dich die größte Herausforderung bei der Vereinbarung von Kind und Beruf?

Die allergrößte Herausforderung ist aktuell die Pubertät – aber das hat wenig mit Vereinbarung zu tun. Herausfordernd finde ich die Sprechstunden der Lehrer, denn die sind üblicherweise nicht in den Tagesrandzeiten sondern irgendwo mittendrin. Das reißt eine große Lücke in den Arbeitstag.

10. Womit hast Du so gar nicht gerechnet bevor Du Mutter geworden bist?

Ich hätte niemals erwartet, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen zu begleiten. Das ist emotional enorm fordernd und nichts im Leben hat mich darauf vorbereitet: Mutter-Beichte: Darauf war ich nicht vorbereitet … Aber ich lerne enorm viel von meinen beiden Kindern. Sie sind meine allerbesten Lehrmeister.

11. Kannst Du anderen Eltern hilfreiche Apps oder Tools für den Berufs- und Familienalltag empfehlen?

Ein Familienkalender macht Sinn – so ist immer jeder über die Termine der anderen Familienmitglieder informiert. Denn Terminplanung ist sehr komplex. Ansonsten hilft eine dicke Haut und die Verabschiedung des schlechten Gewissens, aber da gibt es meines Wissens nach keine App dafür ;-).

12. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich ändern, um das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser hinzubekommen?

Viel mehr Hilfe und Unterstützung und vor allem Anerkennung für Familien, die diese enorme Herausforderung tagtäglich schaffen. Und weniger Zickenterror untereinander, wer denn nun sein Kind besser erzieht und begleitet – wir sind alle Menschen und geben unser Bestes!

 

Fotocredit: Birgit (https://muttis-blog.net)

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