Sandra ist ausgebildete PR-Beraterin, Mutter eines Kindes und hat inzwischen ein eigenes, kleines Unternehmen für Unternehmenskommunikation. Auf dem Blog wortkonfetti bloggt sie über Selbständigkeit, Elternschaft und ihre Heimatstadt Bremen. Darüber hinaus ist sie Co-Host des Podcasts NOT A KINDERSPIEL. Sie erzählt, wie es ihr als Selbständige gelingt, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen.
1. Erzähl doch mal, wer und wie viele seid Ihr in Eurer Familie?
Manchmal sind wir fünf, manchmal sind wir drei – ich leben nämlich in einer Patchworkfamilie. Mein Mann hatte bereits zwei Söhne, als ich ihn vor zehn Jahren kennengelernt habe. Inzwischen sind die beiden schon 20 und 16, unser gemeinsamer Sohn ist erst 3. Die Söhne meines Mannes leben nicht bei uns, aber in der gleichen Stadt, so dass der Kontakt sehr regelmäßig und konstant ist. Die beiden haben daher beispielsweise auch je ein eigenes Zimmer in unserem Haus.
2. Wie sah Eure berufliche Situation bevor Ihr Euer Kind bekommen habt? Was hat sich seitdem verändert?
Als ich schwanger wurde, war ich bereits zwei Jahre selbständig und habe 40 Stunden und mehr in der Woche gearbeitet, einige Dienstreisen unternommen und viele freie Projekte nebenher abgewickelt. Mein Mann, der gelernter Ingenieur ist, hat festangestellt und in Vollzeit als Technischer Leiter und stellvertretener Geschäftsführer in einem kommunalen Unternehmen gearbeitet.
Nach der Geburt unseres Sohnes habe ich mir ganz bewusst eine Auszeit genommen und bin ein Jahr lang zuhause geblieben. Kurz vor Ende meiner Elternzeit hat mein Mann nach knapp 20 Jahren im gleichen Job eine neue Stelle angenommen. Das hatte nichts mit der veränderten Familienkonstellation zu tun, allerdings merken wir inzwischen, dass der Wechsel durchaus auch Vorteile für unseren Familienalltag bietet. Ich habe meine Selbständigkeit nach der Babypause wieder aufgenommen und absolviere sie nun in Teilzeit – wenn man das so sagen möchte. Denn Dienstreisen und die ein oder andere Stunde am Abend oder Wochenende kommt auf meine Bürozeiten noch obendrauf.
3. Du bist selbstständig mit Kind. Wie gestaltet Ihr Euer Familien- und Arbeitsmodell? Habt ihr eine feste Aufteilung, was Arbeitszeiten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten angeht?
Ja, für ganz normale Arbeitswochen, in denen bei niemandem von uns Dienstreisen anliegen, haben wir eine feste Aufteilung: Mein Mann bringt unseren Sohn morgens zur Kita, ich hole ihn montags bis donnerstags gegen 15 Uhr wieder ab. Das verschafft mir Zeit, von 8.30 Uhr bis ungefähr 13.30 Uhr in meinem externen Büro zu arbeiten und auf dem Rückweg noch etwas zu erledigen oder – im gesünderen Fall – eine Mittagspause zu machen. Freitags macht mein Mann eher Feierabend und verbringt den Nachmittag mit unserem Sohn. Ich arbeite an diesen Tagen länger und kann am frühen Abend noch zum Yoga.
Was die Care-Arbeit betrifft, so ist mein Mann für den Einkauf und das Kochen zuständig. Ich kümmere mich um die Wäsche, den restlichen Haushalt sowie die meisten Aufgaben rund ums Kind (Honorar für den Musikgarten überweisen, neue Klamotten besorgen, Arzttermine vereinbaren, etc.).
Für mich fühlt sich diese Aufteilung recht gut an, auch wenn sie sicher nicht komplett 50/50 ist. Sie fiel aber nicht vom Himmel, wir haben in den ersten zwei Jahren viel ausprobiert, diskutiert und nachgebessert.
4. Wo und wie ist Euer Kind betreut, wenn Ihr arbeitet?
Wir haben einen Kita-Platz in unmittelbarer Wohnnähe, den wir von 8.30 Uhr bis 15 Uhr nutzen.
5. Unvorhergesehene Ereignisse bestimmen das Job- oder Familienleben und können eine ganze Organisation auch mal zunichte machen. Gibt es dafür einen Plan B oder ein Notfallnetzwerk auf das Ihr zurück greift?
Plan B ist in der Regel meine Mutter. Sowohl bei einigen geplanten Dienstreisen als auch im Krankheitsfalle springt sie häufig ein und reist dafür extra zu uns nach Bremen. Meist bleibt sie dann zwei Nächte bei uns, worüber sich sowohl unser Sohn als auch meine Mutter freuen. Diese innerfamiliäre Lösung ist wirklich optimal und hat uns schon oft den Ar*** gerettet. Fällt meine Mutter aus, konnten manchmal auch die Bonusbrüder für ein, zwei Stunden einspringen, aber im Zweifelsfall bleibe ich dann zuhause.
6. Schleicht sich zwischendurch auch sowas wie ein schlechtes Gewissen ein, weil entweder der Lebensbereich Arbeit oder Familie hinten anstehen muss? Und wenn ja, wie geht Ihr damit um? Würdest Du sagen, dass es dabei einen Unterschied gibt zwischen selbständig mit Kind und festangestellt mit Kind?
Na klar, das Gefühl, sowohl dem einen als auch dem anderen Lebensbereich nicht so gerecht zu werden, wie ich es mir wünsche, ist bei mir ständiger Begleiter. Anfangs hatte ich deshalb ein schlechte Gewissen, das habe ich allerdings weitestgehend von mir abschütteln können. Ich gebe in beiden Bereichen mein Bestes, mehr geht eben nicht. Letztens waberte ein Zitat durch Instagram, das das Dilemma treffend zusammenfasst: „Wir Frauen sollen arbeiten, als hätten wir keine Kinder. Und Kinder betreuen, als hätten wir keine Arbeit.“ Das ist schlicht unmöglich und daher müssen wir weder unserem Kind gegenüber noch unserem Arbeitgeber bzw. Kunden gegenüber ein schlechtes Gewissen haben.
Ich glaube, in einer Festanstellung haben Frauen noch häufiger ein schlechtes Gewissen. Weil es halt jemanden gibt, der potentiell beobachten und bewerten könnte, wann sie zur Arbeit kommen, ob sie wegen Kinderkrankheit ausfallen oder wegen Müdigkeit unkonzentriert sind. In der Selbständigkeit ist man niemandem Rechenschaft schuldig – nur sich selbst. Umso wichtiger, dass man eine familienfreundliche eigene Chefin ist!
7. Gelingt es Euch in Eurem Familienmodell auch Zeit für Eure persönlichen Bedürfnisse als Eltern zu finden?
Ja, Wie oben schon erwähnt gehe ich einmal in der Woche zum Yoga, mein Mann joggen. Wenn ich mal ein Wochenende eine Freundin besuchen oder an einer Konferenz teilnehmen möchte, übernimmt mein Mann ohne Murren. Im Gegenzug geht er dann mal abends mit Freunden in die Kneipe und schläft am nächsten Morgen aus und ich übernehme dann den Morgen mit Kind. Wir sprechen uns zu unseren Terminen natürlich immer so frühzeitig wie möglich ab.
Deutlich schwieriger: etwas als Paar zu unternehmen. Wir würden gern öfter mal zusammen in die Sauna oder abends ins Kino – das haut noch nicht so gut hin. Aber wir haben es vor Kurzem zumindest geschafft, mal ein paar Tage zu zweit zu verreisen, und machen einmal in der Woche zusammen Mittagspause.
8. Was würdest Du sagen ist aktuell für Dich die größte Herausforderung bei der Vereinbarung von Kind und Beruf?
Den ganzen Tag über die Uhrzeit im Blick zu haben. Mich niemals einer Aufgabe, einem Gespräch, einem Gedanken hingeben zu können, sondern immer schon vorher zu wissen, wann ich wieder aufhören muss. Das stresst mich am allermeisten und sorgt dafür, dass ich auch am Abend Schwierigkeiten habe, zur Ruhe zu kommen.
9. Womit hast Du so gar nicht gerechnet bevor Du Mutter geworden bist?
Bis zur Geburt meines Sohnes bin ich im Irrglauben durch die Welt gelaufen, dass Männer und Frauen inzwischen nahezu gleichberechtigt sind. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich weniger Chance habe als ein Mann. Jetzt als Mutter weiß ich, dass es mindestens einen Lebensbereich gibt, in dem Frauen noch weit davon entfernt sind: im Familienleben. Und das liegt häufig nicht am konkreten Vater, mit dem man sich die Elternschaft teilt, sondern an der fehlenden gesellschaftlichen Wertschätzung für das, was Eltern leisten, an den Auswirkungen jahrhundertlanger patriarchalischer Strukturen und an einer Arbeitswelt, die glaubt, dass Familienfreundlichkeit bedeutet, HomeOffice anzubieten.
10. Kannst Du anderen Eltern, die selbständig mit Kind sind hilfreiche Apps oder Tools empfehlen? Oder hast Du noch andere Tipps, um den beruflichen und familiären Alltag gut zu organisieren?
Was den Job betrifft, so ist meine Empfehlung, organisatorischen Kleinkram und bürokratische Notwendigkeiten so gut wie möglich abzugeben oder zu optimieren. Ganz konkret habe ich mir eine Assistenz gesucht, die mir jetzt Recherchen, Fotoaufgaben und kleinere Texte abnimmt. Außerdem wickle ich meine Rechnungen nicht mehr manuell ab, sondern nutze dafür Goodlance. In diesem Tool verwalte ich außerdem mein Projektmanagement und einen Teil meiner Buchhaltung. Selbständigen kann ich wirklich nur ans Herz legen, sich Goodlance genauer anzuschauen. Gibt´s auch als App.
Für Entlastung im Privatleben – ein Thema, das wir übrigens auch in Folge 8 unseres Podcasts WORK IS NOT A KINDERSPIEL behandelt haben – sorgt bei uns eine wöchentliche Reinigungshilfe und eine Kochbox. Ich setze mich außerdem am Wochenende immer einmal für eine halbe Stunde hin, um mir einen Überblick über die kommende Woche zu verschaffen und nochmal grob auf die nächsten acht Wochen zu gucken. Daraus leite ich dann die ToDos für die nächste Zeit ab.
11. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich ändern, um das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser hinzubekommen?
Ich träume von einer ergebnis- statt anwesenheits-orientierten Arbeitswelt, in der „Vollzeit“ 30 Wochenstunden bedeutet, das klassische Konzept von Teilzeit dadurch für Eltern überflüssig wird und Arbeitgeber*innen bzw. Kunden es für selbstverständlich erachten, dass auch Väter zuhause beim kranken Kind bleiben oder für eine Schulaufführung am Nachmittag mal eher Feierabend machen.
Ist Euer Alltag aus Familie und Beruf gerade nicht so richtig im Gleichgewicht? Dann ist vielleicht mein Work & Family Quick Check das richtige für Euch. Wir schauen uns an, wie sich aktuell Eure Lebensbereiche zueinander verhalten, was dabei die größten Herausforderungen sind und welche Maßnahmen sich daraus ergeben lassen.
Fotocredit: Sandra Lachmann