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Rüdiger beschreibt sich als aktiver Vater. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er ein klassisches Familienmodell, mit dem Unterschied, dass nicht er in Teilzeit arbeitet, sondern seine Frau. Wie das genau aussieht und wie Rüdigers seine Rolle als aktiver Vater lebt und welche Erfahrungen er mit diesem Familienmodell gemacht hat darum geht es im aktuellen Interview aus der Work and Family Interviewserie.
1. Erzähl doch mal, wer und wie viele seid Ihr in Eurer Familie?
Wir sind zu viert, meine Frau Anna-Lena, unsere beiden Töchter (5 und 2 Jahre) und ich, Rüdiger.
2. Wie war Eure berufliche Situation bevor Ihr Eure Kinder bekommen habt? Was hast sich seitdem verändert?
Meine Frau ist Lehrerin an einem Gymnasium, ich Dipl.-Sozialpädagoge. Wir arbeiten beide in Münster und können zum Glück mit dem Rad zur Arbeit fahren. Bevor wir Eltern wurden hatte meine Frau eine Vollzeit- und ich eine 33 Stunden-Teilzeitstelle.
Bei beiden Kindern ist meine Frau acht Monate und ich anschließend 18 Monate in Elternzeit gegangen. Allerdings war ich nur die ersten sechs Monate komplett zu Hause und habe mich im zweiten Elternzeitjahr mit 24 Stunden selbst vertreten. Die Stundenanzahl habe ich auch nach der Elternzeit beibehalten. Seit Dezember habe ich noch einmal ein paar Stunden abgegeben und habe jetzt eine halbe Stelle. Nebenbei gebe ich freiberuflich Vorträge und blogge privat. Meine Frau arbeitet nach wie vor in Vollzeit.
3. Für welches Familienmodell und Arbeitsmodell habt Ihr Euch entscheiden und warum?
Eigentlich haben wir uns ganz klassisch entschieden. Der Elternteil mit dem höheren Einkommen – und das ist bei uns meine Frau – arbeitet in Vollzeit, der andere Elternteil – also ich – reduziert seine Stunden.
Wir haben unsere Arbeitszeit so aufgeteilt, dass meine Frau drei lange Arbeitstage hat und zwei kürzere. Ich wiederrum arbeite jeden Tag vier Stunden. Meistens zwischen neun und 13h. Nachts kümmere ich mich noch ab und an um meine freiberufliche Arbeit und um meinen Blog.
4. Du beschreibst Dich selbst als aktiver Vater. Wie definiert und erlebst Du diese Rolle in der Gesellschaft?
Als aktiver Vater bin ich für meine Kinder da, wenn sie mich brauchen. Ob die Windel gewechselt werden muss, dringend ein „Kühli“ benötigt wird, die Kletterhöhe der 2-Jährigen eingeschätzt werden sollte, ich mich beim Arbeitgeber kindkrank melden muss, wenn morgens um sieben Uhr das Fieberthermometer 39 Grad anzeigt oder ich auch mal richtig genervt und ärgerlich bin, wenn die 5-Jährige abends um 22h immer noch nicht eingeschlafen ist.
Zusammengefasst: Vater sein heißt für mich täglich Alltag mit meiner Familie zu erleben. In zwei Wörtern: Family first!!!
Väter, die eine halbe Stelle haben und nachmittags für Kinder und Haushalt zuständig sind, füllen vermutlich noch keine großen Fußballstadien. Natürlich merke ich im Alltag, dass ich mit meiner Vorstellung von Vatersein in der Gesellschaft noch nicht Mainstream bin bzw. die Gesellschaft das Bild von einem aktiven Vater noch nicht verinnerlicht hat. Ein Beispiel: Ich war gemeinsam mit meiner Frau und unserer ältesten Tochter in der Notfallsprechstunde. Der Arzt fragte, wie schwer unsere Tochter sei. Ich: „Sie wiegt 11,8kg.“ Meine Frau: „Ich weiß es nicht genau.“ Daraufhin der Arzt: „Dann wiegen wir mal lieber.“ Die Waage zeigt 12kg an. Der Arzt zu meiner Frau: „Gut das wir gewogen haben.“ Von diesen Beispielen habe ich in den ersten Jahren viele erlebt. Seit zwei Jahren spüre ich allerdings deutlich mehr positive Resonanz.
5. Wo und wie ist der Nachwuchs betreut, wenn Ihr arbeitet?
Wir haben für beide Kinder einen Kita-Platz mit 45 Stunden. Ich bringe beide Mädels morgens gegen neun Uhr zur Kita. Das Abholen teilen wir uns, meine Frau holt die beiden an einem und ich an vier Tagen gegen 15.30h von der Kita ab.
6. Wie organisiert Ihr aktuell Euer Familienmodell? Wie gestalten sich Eure Arbeitszeiten, Aufgabenverteilungen und Verantwortlichkeiten?
Wir setzen uns zwei- bis viermal in der Woche zusammen und gehen alle bevorstehenden Termine und Aufgaben durch. Alle Termine, insbesondere die langfristen, werden direkt in die Kalender-App eingetragen und via Messenger besprochen. Erledigungen/Einkäufe packen wir ebenfalls in eine App.
Die Carearbeit haben wir uns nach „Vorlieben“ aufgeteilt. Beispielsweise kocht meine Frau sehr gerne und mir macht Aufräumen (meistens) Spaß.
7. Gibt es zwischendurch auch mal sowas wie ein schlechtes Gewissen, weil entweder der Lebensbereich Arbeit oder Familie hintenanstehen muss? Und wenn ja, wie geht Ihr damit um?
Schlechtes Gewissen habe ich dann, wenn ich meine Töchter doch erst nach 16h von der Kita abhole und sie zu den letzten Kindern in ihren Gruppen gehören. Allerdings haben wir Glück, beide Mädels sind begeisterte Kitakinder und strahlen auch nach 16h noch eine große Zufriedenheit aus.
Die Stunden vor und nach der Kita sind für uns als Familie ganz wichtig. Wir versuchen die Hausarbeit, Einkäufe, etc. in der Kitazeit zu erledigen und haben jeden Tag feste Spiel- und/oder Vorlesezeit mit beiden Kindern.
8. Solange der Tag verläuft wie geplant ist alles in Ordnung. Doch was ist, wenn unvorhergesehene Ereignisse im Job- oder Familienleben die ganze Organisation zunichte machen. Gibt es dafür einen Plan B oder ein Notfallnetzwerk?
Unser Plan B heißt Großeltern anrufen und hoffen dass sie Zeit haben (alle vier Omas und Opas sind Rentner*innen und wohnen 100km von uns entfernt). Wenn die Kinder krank sind nehme ich oft Überstundenfrei, zur Not auch die Kindkranktage. Schwierig wird es aktuell für uns immer dann, wenn ich beruflich quer durch Deutschland reisen muss. Solche Termine kann ich nur zusagen, wenn ich mich vorher mit den Großeltern rückgekoppelt habe. Bislang hatten wir immer riesiges Glück und wenigstens eine Oma oder ein Opa konnten kommen.
9. Wann bleibt in Eurem Familienmodell Zeit für Eure persönlichen Bedürfnisse als Eltern?
Meine Frau und ich verabreden uns oft nach meinem Feierabend zum Mittagessen oder wir trinken gemeinsam einen Kaffee, bevor die Kinder abholt werden. Wir haben über das Jahr verteilt einige Tage bzw. Wochenenden, die wir ohne Kinder verbringen. Das klappt sehr gut.
Wenig Zeit bleibt mir hingegen um meinen eigenen Akku wieder voll aufzuladen. Früher habe ich viel Ausdauersport betrieben. Das schaffe ich aktuell nicht. Mal eine kurze Runde laufen, das geht schon, aber drei/vier Stunden mit dem Rennrad durch das Münsterland fahren, das klappt aktuell noch nicht. Aber die Kinder werden größer und dann sind die Mädels sicher auch ab und an mal froh, wenn ihr Papa ein paar Stunden unterwegs ist 😉
10. Hast Du Tipps , Apps oder Tools, die Du anderen Eltern empfehlen kannst, um ihren beruflichen und familiären Alltag gut zu organisieren?
Wir nutzen kaum extra Familien-Apps für unseren Familienalltag. Aktuell nutzen wir hauptsächlich die Kalenderapp (sind miteinander synchronisiert), die Einkaufslisten-App Bring! und natürlich eine Messenger-App.
11. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich ändern, um das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser hinzubekommen?
Mein Wunsch: gleichberechtigte Löhne. Solange viele Frauen weniger Geld für den gleichen Job verdienen, wird eine gerechte Vereinbarkeit nicht erreicht werden können. Und wenn ich einen zweiten Wunsch frei hätte, dann gäbe es die Teilzeitfalle nicht mehr (das Thema ist ja inzwischen Gott sein Dank auch in der Politik angekommen).
Fotocredit: Rüdiger Dreier