Work & Family Interview Serie

Stephie: Wie gut ist Shared Leadership mit Familie vereinbar?

Kinder können im Leben einer berufstätigen Frau einen Karriere-Knick bedeuten. Spannende Projekte oder Inhalte werden nach der Geburt des Kindes an andere Kollegen und Kolleginnen weiter gegeben und die Aufstiegsmöglichkeiten sind ebenfalls eingeschränkter als vorher. Noch immer gibt es in Unternehmen zu wenig Modelle, die beides möglich machen – Kind und Karriere. Stephie hatte Glück – sie konnte nach der Elternzeit ein einem Shared Leadership Modell zu ihrem Arbeitgeber zurück kehren. Das heißt, sie teilt sich eine Führungsposition mit einer anderen Kollegin. Wie es dazu kam und was notwendig ist, um ein solches Modell im Unternehmen umzusetzen hat sie mir erzählt.

1. Erzähl doch mal, wer und wie viele seid Ihr?

Das sind wir – Stephie (35), mein Mann (37) und unsere 2-jährige Tochter.

2. Wie sah Eure berufliche Situation aus bevor Ihr Euer Kind/Eure Kinder bekommen habt?

Ich habe als Management Trainee in der Luftfahrt-Branche gestartet, war dann einige Jahre Referentin des Vorstands und die letzten Jahre dann als operative Führungskraft für mehrere hundert Mitarbeiter tätig.

Als ich schwanger wurde, wurde mir relativ schnell klargemacht, dass ich nicht mehr auf meine alte Stelle zurückkommen kann und stattdessen diverse Projekte ohne Mitarbeiterverantwortung leiten sollte. Da ich meine Arbeit und den Mix aus operativer Führung und inhaltlichen Themen sehr geschätzt habe, war für mich klar, mich aus der Elternzeit heraus innerhalb des Unternehmens auf einen anderen Job zu bewerben. Mein Mann ist Ingenieur in der Automobilbranche.

 3. Was hat sich seitdem beruflich verändert und wie viele Stunden arbeiten Dein Partner und Du in der Woche?

Ich hatte großes Glück und konnte nach meiner Elternzeit eine neue Stelle als operative Führungskraft in einem anderen Bereich in Shared Leadership antreten. Derzeit arbeite ich 28 Stunden. Mein Mann arbeitet 35 Stunden und kann mindestens einmal die Woche von zuhause aus arbeiten.

Er bringt die Kleine täglich in die Kita und ich hole sie dann ab. So kann ich früh anfangen und schaffe die 28 Stunden in vier Tagen und habe so einen freien Tag, um Dinge zu erledigen oder auch mal etwas für mich zu machen.

4. Wann kam der Gedanke für ein Shared Leadership Modell auf und wie hast Du es dann konkret in die Realität umgesetzt?

Ich kannte ein paar Kollegen, die bereits als Shared Leadership Tandem arbeiteten. Das Modell fand ich schon immer spannend und für eine neugebackene Mutter an sich das perfekte Arbeitsmodell. Meine jetzige Stelle war –  als eine der ganz wenigen Stellen – konkret als Shared Leadership Stelle ausgeschrieben.

5. Ist die Idee dafür bei Deinem Arbeitgeber gleich auf positives Resonanz gestoßen und welche Argumente waren aus Deiner Sicht rückblickend entscheidend für die Umsetzung?

Da die Stelle als Shared Leadership Stelle ausgeschrieben war, hatte ich natürlich ein einfaches Spiel. Bei meinen anderen Bewerbungen habe ich das Modell aktiv angesprochen und bin auch meist auf offene Ohren gestoßen. Man muss natürlich ein gutes Konzept (inkl. Aufgabenteilung) und einen passenden Tandem-Partner haben, da es definitiv für alle Beteiligten Neuland und im gewissen Maße Mehraufwand bedeutet. Ein Chef muss zu 100% hinter dem Shared Leadership Modell stehen, ansonsten wird es schwierig. 

6. Wie teilt Ihr als Leadership-Tandem Eure Position auf und wie organisiert Ihr Euch? Gibt es konkrete Verantwortungsbereiche für jeden von Euch? Wie handhabt Ihr z.B. die Mitarbeiterführung und Urlaubsregelung?

Meine Tandem Partnerin hat zwei Kinder und muss bzw. möchte wie ich die Kinderbetreuung an den Nachmittagen übernehmen. Uns, aber auch unserem Chef, war von Anfang an klar, dass wir nicht jeden Tag eine 100%ige Tagesabdeckung haben werden und planen deswegen alle Meetings bis spätestens 14:30 Uhr. Das gibt uns und allen anderen Planungssicherheit.

Ich bin vier Tage im Büro, meine Kollegin zwei Tage. Nach der Corona-Zeit werden wir sicherlich auch häufiger im Home Office arbeiten. Ich versuche einmal in der Woche einen ganzen Arbeitstag einzuplanen, um auch die Möglichkeit zu haben, die Kollegen aus dem Früh- und Spätdienst zu treffen.

Meine Kollegin und ich haben einen gemeinsamen Tag im Büro in der Woche, um uns auszutauschen und wichtige Themen inklusive aller Personalthemen zu besprechen und die nächsten Wochen zu planen. Dieser gemeinsame Tag ist für die Zusammenarbeit essentiell.

Inhaltliche Themen teilen wir uns auf, einer von uns ist im Lead, die andere ist dabei aber auch immer sprechfähig. Wichtige Infos geben wir kurz weiter und für Details nutzen wir unseren gemeinsamen Tag.

Wichtige Entscheidungen inklusive aller Personalthemen treffen wir immer zusammen. Dies finde ich einen großen Vorteil des Shared Leaderships – man hat bei jeglichen Themen einen Sparring-Partner, der andere Kompetenzen und Blickwinkel in die Diskussion mit einbringt.

Bisher sind wir uns bei der Urlaubsplanung noch nicht groß in die Quere gekommen, da unsere Kitas / Schulen unterschiedliche Schließzeiten haben. In den Sommer- und Weihnachtsferien wird es zu einer Überlappung kommen. Eine unserer Teamleiterinnen wird uns dann würdig vertreten. Anstatt 30 Tagen Abwesenheit werden wir es als Tandem auf 10 Tage Abwesenheit für unsere Mitarbeiter schaffen. Da diese Überlappung in die Urlaubszeit fällt, ist es ohnehin ruhiger und es fällt nicht so viel an.

7. Was sind aus Deiner Sicht die Vorteile und auch Herausforderungen an einem Shared Leadership Modell?

Die Vereinbarkeit von Familie und einem Job mit Führungsaufgabe ist sicherlich der größte Vorteil, den das Shared Leadership Modell mit sich bringt. Außerdem ergeben sich durch die enge Zusammenarbeit Synergien, man profitiert von unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen was ein großer Vorteil ist und viel Freude bei der Arbeit bringt.

Ein Shared Leadership Modell funktioniert sicherlich nicht bei allen Jobs und auch nicht mit jedem Tandempartner. Man sollte sich vorab kennen bzw. kennenlernen, um zu sehen, ob ein enges Arbeitsverhältnis mit ähnlichen Werten möglich ist. Auch sollte man Dinge direkt ansprechen, die einem nicht gefallen.

Man muss dem anderen zu 100% vertrauen und sich auf den anderen verlassen (können). Wichtig ist ebenfalls, dass man als Tandem an einem Strang zieht und sich keiner profiliert, ansonsten nutzen die Mitarbeiter das schnell aus. Unabdinglich ist auch, dass klar definiert ist, wer welche Aufgaben erledigt. Man arbeitet, wie wahrscheinlich bei allen Teilzeitjobs, immer mehr, insbesondere im Hinblick auf den Zusatzaufwand das Debriefings / Briefings und der gemeinsamen Abstimmung.

8. Was würdest Du sagen ist aktuell für Dich die größte Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Da ich nach der Elternzeit direkt im neuen Job in Teilzeit (Ende 2019) gestartet bin, war es schon eine gewisse Herausforderung, sich schnell in die Themen einzuarbeiten, bei allen wichtigen Meetings dabei zu sein und gleichzeitig die Familie mit Haushalt unter einen Hut zu bekommen ohne sich dabei selbst zu vergessen.  Ich muss mich häufig daran erinnern, meinen eigenen Anspruch etwas herunterzuschrauben.

9. Womit hast Du so gar nicht gerechnet bevor Du Mutter geworden bist?

Dass man Gefühle wie Freude, Liebe, aber auch Sorgen und Ängste hat, die man vorher nicht kannte und dass man auch ohne viel Schlaf vieles leisten und auf Hochtouren laufen kann. Dies klappt meist am besten, wenn man alles durch taktet anstatt in den Tag hinein zu leben. Da bin ich manchmal echt überrascht, was an einem Tag so alles möglich ist. 

10. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich ändern, damit das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser gelingt?

 Der Tag müsste mehr als 24 Stunden haben ;). Ich würde mir wünschen, dass es in der Arbeitswelt gar kein Thema mehr spielt, in welchem Arbeitsmodell man arbeitet. Wenn ich ohne Kind gut gearbeitet habe, kann ich dies sicherlich auch mit Kind und in Teilzeit. Meist ist das Arbeiten deutlich effizienter als davor, man wird aber trotzdem häufig als „Teilzeit-Mutti“ abgestempelt und ab und an nicht als volle Arbeitskraft wahrgenommen.

Es sollte mehr Modelle für Frauen (in Führungspositionen) geben, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesichert ist. Top-Talente und Frauen, die Potential haben, sollten an den richtigen Stellen eingesetzt werden, um so auch als Vorbild für andere zu dienen.

 


Hast Du DEIN passendes Familien- und Arbeitsmodell schon gefunden? Oder möchtest Du Dich berufliche umorientieren weißt aber nicht so richtig, welchen Schritt, Du zuerst gehen sollst? Dann schau doch mal bei meinem Coaching-Angebot vorbei. Gemeinsam finden wir sicher DEINEN Weg.

Photocredit: Stephie

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