Work & Family Interview Serie

Jana: Welche Vorteile hat ein Mehrgenerationenhaus in Sachen Vereinbarkeit?

Werbung // unbezahlt und unbeauftragt

Heute ist Jana zu Gast im Work & Family Interview. Jana ist Blogger, Vloggerin und hat eine eigene Content-Agentur für Social Media & Online-Marketing gegründet. Sie lebt mit ihrem Mann, der gemeinsamen Tochter und ihrer Mutter in einem Mehrgenerationenhaus. Ein Konstrukt, dass in Sachen Vereinbarkeit viele Vorteile mit sich bringt, an der ein und anderen Stelle allerdings auch herausfordernd sein kann.

1. Erzähl doch mal, wer seid Ihr und wie viele?

Wir leben seit 3 Jahren in einem Mehrgenerationenhaus, bzw. einer Familien-WG, bestehend aus mir (Jana, 28 Jahre), meinem Mann Michi (31 Jahre), unserer Tochter Lilly (3 Jahre) und meiner Mutter Barbara (68 Jahre). Außerdem gehören zu unserer Familie auch die zwei Französischen-Bulldoggen-Mops-Mischlinge Franky und Maja (7 und 5 Jahre). Ich habe eine Content-Marketing-Agentur, in die mein Mann gerade Vollzeit miteinsteigt, und einen Blog. Meine Mutter ist Rentnerin und hat mich allein großgezogen.

2. Wie war denn Eure berufliche Situation bevor Euer Kind auf die Welt gekommen ist?

Schwierig. Wir waren finanziell aufgrund unseres Alters (Mitte und Ende Zwanzig) noch nicht gefestigt. Mein Mann hat über 10 Jahre in derselben Firma gearbeitet. Dort konnte er sich zwar frei entfalten, aber die Bezahlung war eher bodenständig. Ich hatte mein Studium nach 4 Semestern abgebrochen und danach einen Assistentinnen-Job mit dem ich sehr unglücklich war. Wir haben beide nicht viel verdient, standen aber schon früh auf eigenen Beinen und hatten dementsprechend hohe Ausgaben durch Miete etc. Wir haben jahrelang gefeiert, wenn am Ende des Monats mal 5 Euro übrigblieben. Meine Mutter war vor der Rente Buchhalterin in der Rüstungsindustrie.

3. Was hat sich seitdem verändert? Wie organisiert Ihr jetzt Euren Familien- und Berufsalltag?

Kurz vor dem Mutterschutz lief mein befristeter Arbeitsvertrag aus, ich wurde nicht übernommen. Da stand ich also ein paar Wochen später mit einem Neugeborenen, arbeitslos und mit ungewisser Zukunft. Meine Mutter ging etwa zur selben Zeit in Rente und trennte sich von ihrem Partner. Wir beschlossen also, dass ein Mehrgenerationenhaus für uns alle ein Win-Win wäre. Sowohl persönlich als auch finanziell.

Während der Elternzeit hat mich dann ein richtiger Kampfgeist gepackt. Ich dachte, so wie bisher kann es nicht weitergehen und ackerte wie verrückt an meinem Blog und an meinem Instagram-Kanal, baute mir ein Netzwerk auf und eignete mir die unterschiedlichsten Fertigkeiten an. So fand ich dann auch einen Job in der Redaktion bei einer App. Als das vorbei war, machte ich mich selbstständig und kann seither zum ersten Mal behaupten, dass es richtig gut läuft.

Die Vorteile am Mehrgenerationenhaus

Dass ich mir eine „erfolgreiche Karriere“ aufbauen konnte, habe ich vor allem auch unserer Lebenssituation zu verdanken. Dank meiner Mama und Schwiegermutter hatte ich trotz Kleinkind die nötige Zeit, um mir etwas aufzubauen, was uns auch die Möglichkeit gibt finanziell unabhängiger zu sein.

Das Schöne am Mehrgenerationenhaus: wir müssen die Aufgaben nicht nur durch zwei teilen, sondern haben auch noch immer greifbare Unterstützung von meiner Mutter bei der Kinderbetreuung, im Haushalt und mit den Hunden. Das ist Gold wert.

4. Wie teilt Ihr Euch als Eltern anfallende Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf?

Wir hatten nie die Vorstellung „es“ alleine schaffen zu müssen. In einem Unternehmen würde ja auch niemand auf die Idee kommen, dass ein einziger die ganze Arbeit macht. So wie das inzwischen von vielen Müttern erwartet wird. Wenn es zu viel wird, stellt man jemanden ein. Punkt. Die heutigen Mütter sind oft 24/7 am Rotieren und denken, die anderen schaffen es ja auch irgendwie. Wir haben Unterstützung von allen Seiten und drehen trotzdem oft am Rad und fragen uns wie wir das noch schaffen sollen. Es gibt ja diesen Satz, der ganz oft verwendet wird: „Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen.“ Die Familie ist unser Dorf und wir haben auch keine Scheu um Hilfe zu bitten.

Unsere Verantwortlichkeiten sind so:

  • Mein Mann und ich sind beide zu gleichen Teilen für unseren Lebensunterhalt zuständig
  • Mein Mann, meine Mutter und ich zahlen je 1/3 der Miete
  • Mein Mann bringt unsere Tochter jeden Morgen in den Kindergarten
  • Ich hole unsere Tochter jeden Nachmittag ab
  • Meine Mutter kümmert sich hauptsächlich um Haushalt und Garten
  • Mein Mann kocht (leidenschaftlich gern für uns alle)
  • Ich bringe unsere Tochter ins Bett, wechsele die Windeln, ziehe sie an, putze ihr die Zähne etc.
  • Ich gehe morgens mit den Hunden und füttere sie
  • Abends macht das meine Mutter
  • Ich kümmere mich um Kundenakquise und Netzwerkpflege in der Agentur
  • Mein Mann um die Finanzen
  • Ich bin die, die dafür sorgt, dass wir ein Ziel vor Augen haben…
  • … mein Mann kümmert sich darum, dass wir nicht vom Pfad abkommen…
  • … und meine Mutter/Eltern meines Mannes halten uns den Rücken frei

Bevor unsere Tochter in den Kindergarten kam, haben sich beide Omas zu gleichen Teilen um unsere Tochter gekümmert, da sie von 1 bis knapp 3 nicht in die Krippe ging, ich aber wieder 30 Stunden die Woche arbeiten musste. Montag und Mittwoch hat sie meine Schwiegermutter betreut, Dienstag und Donnerstag meine Mutter, Freitag ich und am Wochenende hatten wir dann gemeinsame Familienzeit.

5. Räumt Ihr Euch auch regelmäßig Zeit für Eure persönlichen Bedürfnisse ein? Und wenn ja, wie gelingt Euch das?

Ich glaube es hilft, wenn man einen Job macht, den man liebt und mit Menschen arbeitet, die einen jeden Tag inspirieren. Das macht Vieles „erträglicher“ und man kommt mit mehr Energie nach Hause zur Familie als mit einem Job, der einen sehr viel Kraft kostet, weil man ihn eigentlich gar nicht machen möchte.

Wenn ich nach Hause komme, lasse ich mir fast immer ein Bad ein (ich weiß, Nachhaltigkeit sieht anders aus). Lange war das das einzige Ritual, das ich mir gegönnt habe. Mittlerweile lege ich mich mitten am Tag aber auch einfach mal ins Bett, wenn ich das Bedürfnis nach Ruhe habe, und schaue ein paar Folgen auf Netflix. Ich kann nicht immer ausnahmslos funktionieren. Konnte ich nie.

Das Bedürfnis nach Zweisamkeit kommt bei uns allerdings definitiv zu kurz. Nicht nur wegen unserer Elternrolle, sondern auch, weil wir seit 3 Jahren nie allein im Haus sind und keine separate Wohneinheit haben. Daran arbeiten wir noch.

Ich bin ein sehr intuitiver Mensch und höre auf mein Bauchgefühl. Manchmal ist es besser nachher um Entschuldigung zu bitten, als vorher um Erlaubnis zu fragen. Und so kann es auch mal sein, dass ich mich eben unter der Woche einfach mal einem persönlichen Bedürfnis widme, ohne auf die Konsequenzen zu schauen.

6. Solange der Familien- und Berufsalltag läuft wie geplant ist alles gut. Doch was passiert, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt (Krankheitsfall etc.). Gibt es dafür bei Euch immer einen Plan B?

Wir haben ja immer ein Backup, also brauchen wir eigentlich keinen Plan A oder B. Irgendwer hat so gut wie immer Zeit. Durch unseren Familienzusammenhalt sind wir so stark aufgestellt, dass unser Kartenhaus nicht so leicht zusammenfällt, wenn mal etwas anders läuft als erwartet. Wenn unsere Tochter krank ist, haben wir die verschiedensten Möglichkeiten. Ich bleibe bei ihr oder mein Mann oder eine der Omas.

Ich habe dann auch kein schlechtes Gewissen meinen Kunden abzusagen oder meine Tochter für die Zeit eines Termins bei den Großeltern zu lassen, wenn es nicht ganz so schlimm ist. Das Schöne an unserer Situation im Mehrgenerationenhaus ist, dass wir nicht so viel planen müssen, um alles irgendwie hinzukriegen. Wir sind auch überhaupt nicht auf Effizienz getrimmt, sondern können jeden Tag nehmen wie er kommt ohne in Stressschweiß zu baden.

7. Was würdest Du sagen ist aktuell die größte Herausforderung in Sachen Vereinbarkeit?

Das schlechte Gewissen. Eigentlich habe ich immer die Meinung vertreten, dass Kinder nicht nur Betreuung, sondern eben auch viel Fürsorge der Eltern brauchen. Ich persönlich fand, die Omas waren da ein würdiger Ersatz – zumindest während meiner Zeiten im Office. Ich habe aber immer noch den tiefen Wunsch eine ruhige, geduldige und ausgeglichene Mutter zu sein, die mehr präsent ist. Das war immer mein Idealbild.

Meine Karriereambitionen wurden dagegen eher aus der Not heraus geboren und nicht aus echtem Ehrgeiz oder der Überzeugung „Erfolg“ sei „beruflicher Erfolg“. Das halte ich eigentlich für Quatsch. Ich musste mich einfach anstrengen. Aber ich wäre ganz oft lieber bei meinem Kind geblieben und hätte ihr gern immer die volle Aufmerksamkeit geschenkt, anstatt nebenher noch etwas Berufliches zu organisieren.

Vereinbarkeit geht zu Lasten aller

Dieses „immer alles parallel auf die Reihe bekommen“ fand ich immer schwierig. Und unfair allen Beteiligten gegenüber. Vermutlich bin ich nicht die einzige, die mit der „Alles-ist-möglich-Lüge“ zu kämpfen hat. Ich habe mir rundum ein Leben geschaffen, in der Vereinbarkeit möglich ist. Absolute Flexibilität im Job, einen Partner, der mitanpackt, ein doppeltes familiäres Backup, ein wundervoller Kindergarten, für den ich so dankbar bin.

Und trotzdem zerreißt es mir manchmal das Herz, weil doch ich so gern diejenige wäre, die mit meinem Kind den Tag verbringt. Vielleicht ist das ja so ein Mama-Urbedürfnis, die kleinen Küken um sich haben zu wollen. Vereinbarkeit tut manchmal ganz schön weh und dennoch war ich wohl nie glücklicher in meinem Leben.

8. Womit hast Du so gar nicht gerechnet bevor Du Mutter geworden bist?

Ganz ehrlich? Ich dachte, wenn ich mich jetzt für Kinder entscheide, war’s das mit den Aufstiegschancen im Beruf. Ich hätte nie, nie, niemals gedacht, dass genau diese Erfahrung der Geburt und die ein Kind großzuziehen mich so sehr pushen würde. Es hat Kräfte in mir aktiviert, von denen ich nur ahnte, dass ich sie habe. Man kennt aus dem Umfeld ja nur die typischen Mama-Geschichten: Super fleißige und kluge Frau studiert, steigt im Job auf, bekommt dann Kinder, bleibt für sie zu zuhause, gerät dann in die Teilzeitfalle und bekommt keinen Fuß mehr in die Arbeitswelt.

Bei mir war es eher umgekehrt. Ich war zwar immer irgendwie clever, aber der Funke fehlte. Mit Mitte Zwanzig hatten mich alle schon Meilenweit überholt und plötzlich – whoom – fing ich an zu rennen, während alle anderen durchs Kinderkriegen völlig gebremst wurden. Mir hatte einfach sehr lang das Vertrauen in mich selbst gefehlt und ich suchte verzweifelt nach Vorbildern, fand aber keine. Als ich dann Mutter wurde, verstand ich, dass ich jetzt dieses Vorbild für mein Kind war. Das hat mich sehr überrascht.

9. Wenn Du Dir etwas wünschen könntest, was müsste sich ändern, um das Miteinander aus Familien- und Berufsalltag noch besser hinzubekommen?

Wir können die Gesellschaft nicht über Nacht verändern, aber wir können uns hinsetzen, innehalten und darüber nachdenken, welche Wege strategisch gesehen die besten für uns und unsere Kinder wären, um das Miteinander aus Familien- und Berufsalltag für uns persönlich besser hinzubekommen. Vielleicht ist es der Mehrgenerationenhaus, vielleicht ein Job, der keine permanente Anwesenheit erfordert, vielleicht ein Mann, der sich zuhause mehr beteiligt oder der seine Arbeitszeit reduziert. Vielleicht aber auch etwas ganz anderes, neuartiges. Die vorgegebenen Wege sind vielleicht nicht unsere Wege.

Wenn etwas nicht funktioniert, warum sollten wir dann damit weitermachen? Ich würde mir aber wünschen, dass Unternehmen mehr Menschlichkeit zulassen und das Leben eines Mitarbeiters (Mutters oder Vaters) als Ganzes betrachten ohne ihn in eine Schublade zu packen, in die er gar nicht reingehört. Ich würde mir auch mehr Paare wünschen, die ihre familiären Strukturen hinterfragen. Die sich auch mal mit dem Partner um mehr Gleichberechtigung streiten.

Helfen könnte auch, sich als „Mutter-Vater-Kind“-Konstrukt nicht immer komplett losgelöst vom Rest der Welt zu begreifen. Oft werden Kinder vertrauensvoll in fremde Einrichtungen gebracht, aber wehe die Großeltern mischen sich in die Erziehung ein. Etwas mehr Kompromissbereitschaft und Toleranz würden uns das Leben vielleicht an einigen Stellen sehr erleichtern.

 


 

Hast Du DEIN passendes Familien- und Arbeitsmodell schon gefunden? Nein? Dann schau doch mal bei meinem Coaching-Angebot vorbei. Gemeinsam finden wir sicher DEINEN Weg.

 

Photocredit: Jana Nibe

Vorheriger Beitrag
Natalie: Wie vereinbarst Du Kind und Vollzeit-Job?
Nächster Beitrag
Annika: Wie sieht bei Euch Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus?
Es wurden keine Ergebnisse gefunden, die deinen Suchkriterien entsprechen.
error: Content is protected !!