Work & Family Interview Serie

Heiner: Wie lebt Ihr die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

 

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Heiner ist 2-fach Vater und gerade überzeugter Vollzeitpapa. Auf seinem Blog Vaterwelten schreibt er über seinen Alltag, der alles andere als 08/15 ist. Wie sein Berufs- und Familienleben genau aussieht darüber spricht er mit mir in unserem gemeinsamen Interview über das ich mich ganz besonders freue. Warum? Weil Heiner der erste Vater ist, der in meiner „Work & Family Interviewserie“ zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf Rede und Antwort steht.

Erzähl doch mal, wer und wie viele seid Ihr in Eurer Familie?

Wir, das sind Mama Corinna (31 Jahre), Papa Heiner (35 Jahre) und unsere zwei Kinder K1 (2,5 Jahre) und K1 (ein paar Tage alt). Zusammen wohnen wir in Krefeld. Wir verzichten übrigens aus Gründen auf die Namensnennung der beiden Kleinen.

Wie war Eure berufliche Situation bevor Ihr Eure Kinder bekommen habt? Was hat sich seitdem verändert?

Corinna arbeitet schon seit zehn Jahren als Rehabilitationspädagogin in einem Krankenhaus mit 30 Stunden. Vor der Geburt von K1 habe ich als Bildungsreferent in einem Sportverband in Vollzeit mit 40 Stunden gearbeitet. Die Elternzeit bei K1 haben wir paritätisch aufgeteilt, sodass jeder sieben Monate bekommen hat. Nach der Geburt war ich einen Monat zu Hause und nach den sieben Monaten von Corinna habe ich noch einmal sechs Monate die Kleine behütet. In dieser Zeit signalisierte mir mein Arbeitgeber, dass ich nicht in Teilzeit zurückkehren kann, so wie ich mir das gewünscht hatte. Ich kündigte und stellte mich auf die Rolle des Hausmanns ein. Kommissar Zufall verschaffte mir dann aber den Job als Sozialarbeiter im Krankenhaus, in dem auch Corinna arbeitet. Hier kann ich in Teilzeit mit 20 Stunden sogar den Bereich ausüben, den ich studiert hatte (Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Rehabilitation und Gesundheit). Perfekt. Bei K2 machen wir es etwas anders. Hier nehme ich mehr Elternzeit, weil alle Rahmenbedingungen perfekt in einander greifen. Elterngeld gibt‘s aber nur für 14 Monate. Rücklagen und wenig Ausgaben bringen uns über die Zeit.

Für welches Arbeitsmodell habt Ihr Euch entscheiden und warum?

Wir gehören der von mir liebevoll 3%-Familie an, also einer kleinen Minderheit. Das sind Familien, in der beide Partner in Teilzeit arbeiten. Konkret bedeutet das für uns, dass ich morgens um 8 Uhr das Haus verlasse und zur Arbeit gehe. Wir sind extra umgezogen, um auf ein Auto und somit lange Anfahrtswege zu verzichten. Meine Frau kommt um 11.30 Uhr zu mir ins Büro und auf dem Weg zu den Umkleiden machen wir eine kleine Übergabe. K1 ist immer dabei, was den Vorteil hat, dass sie Krankenhaus als ganz normal wahrnimmt und keine Angst hat. Sie kennt schon viele Kolleginnen und Kollegen. Bis 17 Uhr arbeitet dann meine Frau. Dienstags und mittwochs ist K1 bei den Großeltern für den halben Tag, jeweils einmal morgens und einmal nachmittags. So hat jeder von uns mal einen Tag frei, wenn auch nur den halben.

Wo und wie ist der Nachwuchs betreut, wenn Ihr arbeitet?

Kurz nach der Geburt von K1 haben wir sie in der Kita angemeldet. Ein halbes Jahr später kam mein Wechsel in den neuen Job und die Erkenntnis, dass wir lieber die Arbeitszeit reduzieren und die Zeit im Wechsel mit unseren Kindern verbringen, als K1 früh abzugeben. Wir betreuen unsere Kinder also zu Hause und sind einfach den ganzen Tag füreinander da.

Wie organisiert Ihr aktuell Euren Alltag aus Beruf und Familie? Habt Ihr dafür eine bestimmte Aufgabenverteilung?

Im Moment schmeiße ich den Haushalt größtenteils alleine, weil Corinna im Wochenbett ist. Grundsätzlich haben wir keine Aufgabenteilung. Wir sind als Team sehr gut eingespielt, sodass es vollkommen egal ist, welche Aufgaben verteilt werden müssen. Wir kommunizieren viel und sprechen alles offen an. Habe ich keine Lust zu kochen, dann macht das Corinna. Umgekehrt genauso. Den Nachmittag habe ich viel Zeit für die Kinder, sodass wir gemeinsam in den Zoo fahren, Schwimmen gehen oder in die Bücherei fahren. Wir wohnen direkt in einem Karree mit einem großen Spielplatz vor der Haustür. Dort sind wir natürlich auch sehr oft. Abends reden wir viel über den Tag und schauen, was gut und was doof war. Wir schauen aber auch mal einen Film oder machen etwas für uns. Das klappt richtig gut.

Gibt es zwischendurch auch mal sowas wie ein schlechtes Gewissen, weil entweder der eine oder der andere Lebensbereich hintenanstehen muss? Und wenn ja, wie geht Ihr damit um?

Ein schlechtes Gewissen haben wir bisher nicht gehabt. Wir schränken die Bedürfnisse des anderen nicht ein. Als wir uns kennenlernten, haben wir viele tiefgehende Gespräche geführt über eben diese Bedürfnisse. Also Kinder, Familie, Leben, Beruf, Arbeit, Hobbie und so weiter. Wir haben festgestellt, dass für uns Kinder und Familie an oberster Priorität steht. Partnerschaft an zweiter Stelle und dann an dritter Stelle wir selber. Abends haben wir Zeit für Zweisamkeit oder für eigene Aktivitäten. Da wir so gut eingespielt sind, müssen wir auch nicht jeden Tag etwas miteinander machen. Wir reden viel miteinander und wissen immer über alles Bescheid. Sowohl über unsere Kinder als auch über den anderen. Sollte ein schlechtes Gewissen vorhanden sein, sprechen wir das an. Das kam aber bisher nicht vor. Unser Alltag besteht aber nicht nur aus Hektik, weil wir die Bedürfnisse der Kinder an erster Stelle setzen. Wir trennen zwischen Bedürfnis und Wunsch. Bei uns ist es auch mal langweilig und jeder beschäftigt sich alleine.

Solange der Tag verläuft wie geplant ist alles in Ordnung. Doch was ist, wenn unvorhergesehene Ereignisse im Job- oder Familienleben die ganze Organisation zunichte machen. Gibt es dafür einen Plan B oder ein Notfallnetzwerk?

Unser Sicherungsnetz besteht aus Corinnas Eltern, die keine 15 Minuten mit dem Fahrrad entfernt wohnen. Dazu haben wir liebe Nachbarn im Haus und nebenan. Meine Schwester wohnt eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt und in der Stadt wohnen ein paar Freunde mit Kindern. Sie alle haben wir in kleinen und großen Situationen schon einbinden können, was problemlos funktioniert hat. Wir sind sehr dankbar für diese großartige Unterstützung. Gerade vor der Geburt von K2 haben wir gemerkt, wie zuverlässig das Netz funktioniert. Das ist nicht selbstverständlich, danke ihr alle. Gleichzeitig ist unser Arbeitgeber sehr familienfreundlich und unsere direkten Vorgesetzen sowie die Kolleginnen und Kollegen sind alles Mütter bzw. Väter. Eine kurze Absprache genügt und alles wird möglich gemacht. Das wäre bei meinem vorherigen Arbeitgeber so nicht möglich gewesen. Auch hier ein großes Danke!

Wann bleibt Zeit für Eure persönlichen Bedürfnisse als Eltern?

 Vor einem Jahr hat K1 das erste Mal bei den Großeltern übernachtet. Das gefiel allen so sehr, dass wir tatsächlich mehrmals im Monat Zweisamkeit hatten und ins Kino gegangen sind, Essen waren oder Spieleabende mit Freunden veranstaltet haben. Als Fluglehrer für Segelflug war ich im letzten Jahr noch hin und wieder am Flugplatz, doch das habe ich Anfang des Jahres 2018 pausiert. Um die Flugschüler gut auszubilden und den Flugbetrieb reibungslos laufen zu lassen müsste ich den ganzen Tag vor Ort sein, mindestens acht Mal im Jahr. Das habe ich beim besten Willen nicht hinbekommen, zumal jetzt K2 da ist. Aber das wird wiederkommen! Wir haben schon gemeinsam den Flugplatz besucht und es kribbelt schon wieder in den Fingern.

Hast Du Tipps, Apps oder Tools, die Du anderen Eltern empfehlen kannst, um den Work & Family Alltag gut zu organisieren?

Wir organisieren unsere Termine im digitalen Kalender und synchronisieren diesen mit allen iOS Geräten. Wer zuerst einen Termin rein setzt, darf diesen wahrnehmen. Das hilft ungemein bei spontanen Planungen, Arztbesuchen oder um die kommende Woche zu planen. Ansonsten helfen viel Reden und Kommunizieren. Sich abends kurz zusammensetzen und über den Tag sprechen, ist so wertvoll. Manchmal komme ich dann auch erst dazu, Corinna richtig zu umarmen und „Ich liebe dich“ zu sagen. Im Alltag geht das zu schnell unter. Wir haben natürlich den Luxus, dass wir uns jeden Abend sehen. Was ich sagen will, redet miteinander und tauscht euch über eure Gefühle aus. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) und Schulz von Thun (4 Ebenen-Modell) sind gute Grundlagen und helfen sehr, auch wenn es hin und wieder schwer ist, sie umzusetzen.

Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich ändern, um das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser hinzubekommen?

Wunsch an uns oder an die Gesellschaft? Mh, also ich bin wunschlos glücklich. In ein paar Jahren möchte ich meinen Job aufstocken, dann sind K1 und K2 im Kindergarten. Wenn das klappt, prima – wenn nicht, auch ok. Ob Corinna sich auf weitere Kinder einlässt, wird sich zeigen. Gesellschaftlich spreche ich auch im Blog viel über die Rolle der Väter in der Familie.

Mein Appell an die Männer lautet: Reduziert eure Stunden, ermöglicht euren Frauen den Wiedereinstieg und tragt die Karriere nicht auf dem Rücken der Kinder aus. Eine Kita mit U3 Betreuung zu haben ist eine tolle Sache. Doch wenn die Familie sich die Betreuung leisten kann, dann doch auch eine Reduzierung der Stunden. Beides „kostet“ Geld. Hat jedoch den charmanten Vorteil, dass die Betreuung dann durch Papa stattfindet.

Und wenn das Argument kommt „jaja, muss man sich auch leisten können“, dann entgegne ich, dass es ums „leisten wollen“ geht. Corinna und ich arbeiten in einem sozialen Beruf und verdienen am untersten Rand der Berufe. Aber letztendlich ist es alles eine Frage der Ausgaben. Sind sie zu hoch, kannst du es dir auch nicht leisten. Wir verzichten daher auf Konsum, haben nur einen VW Campingbus für den Urlaub und kaufen Dinge lieber gebraucht. Ich spreche damit ganz bewusst die 95% der Familien an, in der die Männer in Vollzeit und Frauen mindestens in Teilzeit arbeiten!

Ich fühle mich wohl in dieser Familien-3%-Nische und kann mir kein besseres Familienmodell vorstellen. Auch wenn hin und wieder Kommentare nerven, so bleiben wir uns treu und ziehen unser Ding durch. „Ich möchte Zeit mit meiner Familie verbringen“, antworte ich dann. Doch das wird leider oft falsch verstanden. Die Menschen fühlen sich dann oft ertappt. Dabei ist das nicht meine Absicht. Ich erzähle aus meiner Perspektive. Jede Familie muss ihren eigenen „richtigen“ und sinnvollen Weg finden.

 

 

 

 

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