Work & Family Interview Serie

Fabian: Wie vereinbart ihr Kinder und Beruf?

 

Werbung // unbezahlt und unbeauftragt

Fabian, ist Redakteur. Er hat zwei Kinder und lebt mit seiner ihnen und seiner Frau in Berlin. 2013 hat er den Väterblog „New Kid and the Blog“ aus der Taufe gehoben, auf dem er aus und über das Leben eines Vaters schreibt. Bei Work & Family spricht er über sein Arbeits- und Familienmodell, das ewig schlechte Gewissen und die für ihr größte Überraschung am Elternsein.

1. Erzähl doch mal, wer seid Ihr und wie viele?

Ich bin Fabian, 37, komme gebürtig vom Niederrhein, arbeite in Teilzeit als Online-Redaktionsleiter beim Musikexpress und blogge unter NewKidandtheBlog. Meine Frau ist selbstständig, gemeinsam mit unseren zwei Jungs (5 und 3) leben wir in Berlin-Kreuzberg.

2. Wie war Eure berufliche Situation bevor Ihr Eure Kinder bekommen habt? Was hat sich seitdem verändert?

Die Situation war wohl „normal“: Wir arbeiteten beide in Vollzeit und Festanstellung. Verändert hat sich seitdem alles: Der Beruf oder gar „Karriere“ hat nicht mehr oberste Priorität, muss, kann und will aber trotzdem nicht hingeschmissen werden. Vor fünfeinhalb Jahren kam unser erster Sohn zur Welt, schon die Schwangerschaft ließ meiner Frau kaum noch Energie zum Arbeiten und mir keinen Kopf. Seitdem haben wir verschiedene Konstellationen durchexerziert: Elternzeit, Teilzeit in Elternzeit, Teilzeit. Erträglich, um nicht gleich gut zu sagen, wurde es erst nach der zweiten Elternzeit meiner Frau nach der Geburt unseres zweiten Sohnes: Sie ging nicht in ihren alten Job zurück, sondern machte sich selbständig. Ich ging dauerhaft in Teilzeit – und wir beide kriegen seitdem beides hin.

3. Welches Familien- und Arbeitsmodell lebt Ihr und warum?

Auch hier: Dass ich dauerhaft in Teilzeit und meine Frau selbstständig und entsprechend mit schwerer planbarem Einkommen arbeiten kann, ist ein Luxus, nicht jeder kann sich das finanziell erlauben. Abgesehen vom Geld aber gibt es keinen Grund, sich die Arbeit und Erziehung nicht möglichst gleichberechtigt aufzuteilen. Wenn Familien das wirklich so wollen, dass einer – meist ja leider noch der Mann – ohne Ende arbeitet und nie da ist und der andere Erziehung und Haushalt alleine schmeißt – bitteschön.

Ich will meine Kinder nicht nur am Wochenende sehen, meine Frau auch nicht (bin aber froh, wenn ich trotzdem mal ein wenig Ruhe habe). Neulich hatte ich „sturmfrei“ – sie verreist, die Kinder bei den Großeltern – und da man ja seit Jahren keine Hobbys mehr pflegt, fiel mir nichts Besseres ein, als länger im Büro zu bleiben, „endlich mal in Ruhe den Berg abarbeiten“, „tut ja auch mal gut“. War okay, aber als ich um 19 Uhr die Redaktion verlies, fragte ich mich nur: Wie zur Hölle kann man jeden Tag so lange arbeiten wollen, wenn man nicht unbedingt muss? Natürlich bedeutet es auch Stress, sich um die Kinder zu kümmern, mehr sogar als im Büro am Schreibtisch zu hocken. Ist mir trotzdem lieber, weil langfristig hoffentlich weniger sinnlos – bei aller Liebe und Respekt für meinen Job und meinen Arbeitgeber!

4. Wie organisiert Ihr dieses Modell? Also konkret wie gestalten sich Arbeitszeiten, Aufgabenverteilungen und Verantwortlichkeiten?

Der Alltag sieht aktuell so aus: Morgens kümmern wir uns beide um die Kids (und sind nach dem Anziehstress meist schon fix und fertig). Meine Frau arbeitet meist von zuhause aus, ich bringe die Jungs deshalb in den Kinderladen und radle von da aus drei Minuten weiter ins Büro. Wenn Kinderarzttermine o.ä. anstehen, nimmt sich mal sie, mal ich die Zeit dafür, wie es gerade am besten passt, viel vom sog. „Mental Load“ teilen wir uns auch. Nach meinem Feierabend (Stichwort: Teilzeit) hole ich sie spätestens um 16 Uhr wieder ab und entweder ich, meine Frau oder wir beide unternehmen was mit ihnen oder lassen uns von ihnen zuhause bespaßen. An Ruhe oder gar Gespräche zwischen Erwachsenen, die nicht nach jedem Satzanfang unterbrochen werden, ist eh nicht zu denken! Gegen 20 Uhr ist (theoretisch) Schlafenszeit, meine Frau und ich bringen sie abwechselnd ins Bett. Daran war früher nicht zu denken: Mama (und ihre Brust) wurden immer gebraucht. Es wird also doch vieles leichter, wenn die Kinder älter werden. Und immer wieder anders.

5. Wo und wie sind Eure Kinder betreut, wenn Ihr arbeitet?

In einem tollen Kinderladen, fünf Minuten von unserer Wohnung entfernt. Wir hatten nach einem Kita-Wechsel, einem Umzug und langer Suche großes Glück, dort zwei Plätze zu ergattern. Ist ja in Berlin ähnlich schwer, wie eine bezahlbare, große, schöne und gut gelegene Wohnung zu finden – wir fanden beides. Von ca. 9 Uhr sis 16 Uhr werden die Kinder dort betreut und bespaßt.

6. Gibt es zwischendurch auch sowas wie ein schlechtes Gewissen, weil entweder der Lebensbereich Arbeit oder Familie hinten anstehen muss? Und wenn ja, wie geht Ihr damit um?

Ein schlechtes Gewissen hatte ich gerade in den ersten Lebensmonaten beider Kinder täglich: Meine Frau hängt zuhause mit dem Baby ab, stillt und trägt und schunkelt es in einer Tour und ich hocke hilflos im Büro herum. Es war, wie ich auf meinen Blog auch mal ausführlich schrieb, eine Lose-Lose-Lose-Situation. Auf der Arbeit dachte ich an die Familie und würde gerne mehr helfen, zuhause dachte ich an all das, was auf der Arbeit noch zu tun wäre, an meiner Frau blieb zu viel hängen. Seit Beginn meiner Teilzeit und weil die Kinder zunehmend selbstständig werden, hat sich das verbessert. Heute überkommt mich manchmal noch ein schlechtes Gewissen, wenn einer der Jungs zum Beispiel partout nicht im Kinderladen bleiben will und mich anfleht, ich soll da bleiben und nicht zur Arbeit gehen. Erstens weiß ich aber, dass es den Kindern dort super geht und sie später beim Abholen wieder mal nicht werden gehen wollen.

Und zweitens versuche ich manchmal zu erklären, dass wir zwar Geld verdienen müssen, Mama und Papa im Vergleich zu manch anderen Eltern zum Glück aber ganz schön viel Zeit für ihre Kinder haben. Das verstehen sie natürlich noch nicht und ist ihnen im Moment unserer Abwesenheit auch egal. Aber ich hoffe sehr, dass sie es später trotzdem so empfinden und sehen, dass wir beide, Mutter und Vater, immer da waren und hoffentlich auch sein werden.

 

7. Wenn alles läuft wie geplant ist die Welt in Ordnung. Doch was ist, wen das Kind krank ist oder der Kindergarten anruft? Habt Ihr für sowas dafür einen Plan B oder ein Notfallnetzwerk?

Auch da haben wir ziemliches Glück: Erstens ist die Redaktion, in der ich arbeite, nur fünf Minuten von Kinderladen und Wohnung entfernt und ich bin im Notfall sofort da und kann übrigens auch von zuhause arbeiten (was mit Kindern am Rockzipfel nur nicht so leicht ist ;-)). Zweitens leben meine Schwiegereltern in Berlin, sind seit einem Jahr in Rente und noch fit genug, sich um die wilden Kerle zu kümmern. Ehrlich gesagt: Ich finde es nur schwer vorstellbar, es dauerhaft ohne diese Entlastung zu meistern – oder, anstrengender noch, dazu alleinerziehend. Aber klar, wir leben da wohl Berliner Elternluxus.

8. Bleibt für Eure persönlichen Bedürfnisse als Eltern auch noch genug Zeit? Und wenn ja, wie schafft Ihr das?

Bei einem Kind war anfangs schon gefühlt keine Zeit und keine Energie mehr da, um „was für sich“ zu tun. Noch viel härter wurde es im ersten Lebensjahr des zweiten Kindes. Die eigene Müdigkeit, das Stillen der Bedürfnisse eines Babys und eines Kleinkinds, der Haushalt, die Arbeit – da ging ansonsten gar nix mehr. Seit die Kinder von 20 Uhr bis 7 Uhr mehr oder weniger durchschlafen, tagsüber selbstständiger, weil größer und älter sind und einer von uns sich auch mal relativ problemlos ein paar Stunden (oder gar Tage) allein um sie kümmern kann, findet jeder von uns Zeit wieder für sich. Ich spiele einmal pro Woche zwei Stunden Basketball, was vor zweieinhalb Jahren noch undenkbar bzw. nicht mit meinem Gewissen vereinbar gewesen wäre. Gemeinsam bingen meine Frau und ich nun alle paar Abende eine neue Serie weg. Für Paare ist Kinderkriegen und -haben aber eine ganz schöne Bewährungsprobe, das würde dir wohl jeder so unterschreiben.

 

9. Was würdest Du sagen ist aktuell für Euch die größte Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf?

So lange alles läuft, wie es laufen soll, funktioniert aktuell alles ganz gut, muss ich sagen. Die Alltagslogistik ist immer noch da, aber überschaubarer geworden, seit wir beide unsere neuen Arbeitsmodelle haben, die Kinder in den gleichen Kinderladen gehen und alle drei Orte so nah beieinander liegen. Sobald aber ein Player anders spielt, als gewünscht – Kind krank, Kinderladen eine Woche Osterferien, Großeltern in Urlaub – muss wieder improvisiert werden.

Wir kriegen das ganz gut hin, denke ich. Die größte Herausforderung bleibt deshalb wohl (vor allem für mich), nicht nur den Alltag zu meistern, sondern auch länger als eine Woche in die Zukunft zu schauen. Es wollen ja auch Urlaube angedacht und geplant, Schulen und Schulformen evaluiert oder vielleicht sogar mal berufliche Veränderungen durchgespielt werden. Aber vorher noch `ne Runde Netflix!

10. Womit hast Du so gar nicht gerechnet bevor Du Vater geworden bist?

Im Vorfeld hört man oft (aber nicht oft genug) Warnungen darüber, wie anstrengend Kinderhaben ist und wie müde man Monate oder gar Jahre sein wird. Das theoretisch zu wissen, war die eine Sache. Es praktisch zu erfahren, eine ganz andere. Elternsein ist wirklich das anstrengendste, was ich in meinem bisherigen Leben erlebt habe. Ich war aber auch nie Leistungssportler.

11. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was müsste sich dringend ändern, um das Miteinander aus Familie und Beruf noch besser hinzubekommen?

Völlig flexible Arbeitszeiten, Anwesenheitspflicht nur in Notfällen, noch mehr bezahlte Elternzeit oder von mir aus auch unbezahlte Urlaubstage, Betreuungsfindungshilfe durch Arbeitgeber, flexiblere Betreuungszeiten, zum Beispiel. Bei vielen Punkten habe ich als jemand, der seinen Job mit Computer und Telefon an jedem Ort der Welt machen könnte, natürlich gut reden. Handwerker, Ärzte, Erzieher und viele andere Arbeitnehmer, die beruflich vor Ort sein müssen, sind da auch deutlich schlechter dran.

 

 

 

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